Internat auf Probe
ob sie Manu bitten soll, die Musik leiser zu stellen, ist sie schon eingeschlafen.
„Wusstet ihr schon, dass jeder Deutsche im Schnitt 11,6 Kilogramm Schokolade im Jahr isst?“ Manu liegt auf ihrem zerwühlten Bett, wickelt eine Tafel Vollmilch-Nuss aus und betrachtet sie liebevoll von allen Seiten.
„Mon Dieu!“, ruft Sofie. „Bin ich froh, keine Deutsche zu sein! Ich mag kein Schokolade.“
„Nee, klar“, grinst Manu. „Du bleibst lieber so ’n dürres Klappergestell, was?“
Sofie schnappt sofort ein und verschwindet hinter ihren langen Ponyfransen, wie immer, wenn jemand eine Anspielung auf ihre überschlanke Figur macht.
Carlotta kichert. Manu unternimmt wirklich alles, um die Schokoladenstatistik nach oben zu treiben. Schokolade scheint ein Grundnahrungsmittel für sie zu sein.
„Du kannst meinen Jahresanteil gerne mitessen“, bietet sie großzügig an. „Ich steh mehr auf Gummibärchen und Lakritz.“
„Mag ich auch“, gibt Manu zu, bevor sie krachend in die Schokoladentafel beißt. „Aber Schokolade ess ich am liebsten.“
Die Mädchen haben eine Freistunde, die sie zum Lesen und Briefeschreiben nutzen oder – wie Manu – zum Naschen und Faulenzen.
Die ersten Tage auf Schloss Prinzensee sind wie im Flug vergangen. Carlotta weiß gar nicht, wo die Zeit geblieben ist. An den Tagesablauf im Internat hat sie sich inzwischen gewöhnt. Jeden Morgen um Punkt sieben Uhr klingelt ihr Wecker. Kurz darauf macht Frau Heselein einen Rundgang durch alle Zimmer, um zu kontrollieren, ob auch wirklich alle wach sind. Dann geht es in den Waschraum. Zuerst kam es Carlotta ein bisschen komisch vor, sich zwischen all den wildfremden Mädchen zu waschen, sich die Zähne zu putzen und sich anzuziehen, aber mittlerweile findet sie es ganz normal.
Nach dem Frühstück fängt der Schulunterricht an, der bis zum Mittag geht. Das Mittagessen ist der Höhepunkt des Tages, danach ist eine Stunde Pause. Die Schüler verbringen sie mit Stillarbeit in ihren Zimmern, im Aufenthaltsraum oder bei gutem Wetter im Park, bevor es mit dem Nachmittagsunterricht und den AGs weitergeht.
Erst nach dem gemeinsamen Abendessen beginnt die Freizeit, die sie selbst gestalten können, bis es um halb zehn zur Bettruhe läutet.
Obwohl ihr ganzes Leben sich verändert hat und auch der Unterricht anders abläuft, als sie es von ihrer alten Schule kennt, findet Carlotta sich gut zurecht. Ihre Klasse lernt in kleinen Gruppen und arbeitet viel auf eigene Faust. Das soll die Selbstständigkeit fördern, hat Frau Heselein gesagt. Carlotta findet das ziemlich cool.
Sie sitzt an ihrem Schreibtisch und knabbert an ihrem Füller. Ein kurzer Brief an Mama ist schon fertig. Eigentlich lohnt es sich gar nicht, ihn abzuschicken, überlegt sie. Übermorgen ist schon Besuchstag. Da wollen Mama, Steffen und die Zwillinge nach Prinzensee kommen. Sie wirft einen Blick auf den Kalender, der über ihrem Schreibtisch hängt, und staunt. Ist sie wirklich schon zwei Wochen in Prinzensee? Unglaublich!
Papa hat ihr vor ein paar Tagen eine E-Mail aus Südafrika geschickt. Weiter weg geht’s kaum, denkt Carlotta. Er ist in Johannesburg angekommen, dem ersten Ziel seiner Reise, wo er und sein Team Fahrzeuge und Vorräte einkaufen müssen, bevor sie weiterreisen. Er ist sehr neugierig, wie es Carlotta geht, und hat ihr versprochen, sich so schnell wie möglich wieder zu melden. Dann wahrscheinlich aus dem berühmten Krüger-Nationalpark.
Carlotta seufzt. Wie gerne würde sie jetzt mit ihm unterwegs sein! Südafrika, Johannesburg, Krüger-Nationalpark – allein die Namen genügen schon, um ihr Fernweh zu wecken. Zum Glück stehen in der Internatsbücherei genügend Computer mit Internetzugang. Carlotta hat ihrem Vater sofort geantwortet und im Anhang ein Foto von sich und ihrer Klasse mitgeschickt, damit Papa sehen kann, dass es ihr gut geht. Ein Fotograf hat das Bild während der Aufnahmefeier gemacht. Es ist ziemlich gut gelungen. Carlotta hat einen Abzug davon an ihre Pinnwand gesteckt. Gleich daneben hängen eine witzige Hundepostkarte von Katie und ein Gummibärchenfoto mit dem Schloss im Hintergrund.
Sie nimmt ein neues Blatt Papier und fängt einen Brief an die Freundin an:
Hi, Katie!
Wie geht es Dir? Mir geht’s ganz gut. Vielen Dank für die Postkarte mit dem süßen Hund!
Carlotta lässt den Füller sinken. Sie hat vorgestern erst ausführlich mit Katie telefoniert und ihr den neuesten Internatstratsch berichtet. Im Gegenzug hat Katie ihr
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