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Internat auf Probe

Internat auf Probe

Titel: Internat auf Probe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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die zeigen, wie Schloss Prinzensee früher ausgesehen hat. Viel hat sich nicht verändert, stellt Carlotta fest. Auf Prinzensee scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Fast, als wäre es ein verwunschener Ort.
    In den deckenhohen Regalen ringsherum stehen unzählige Bücher – neue, alte und sehr alte. Die besonders wertvollen antiquarischen Exemplare stehen in Vitrinen hinter Glas. Den Schlüssel dazu verwahrt Dr. Brönne persönlich.
    Carlotta fühlt sich wohl zwischen all den schönen Bildern und Büchern. Besonders, weil hier nur geflüstert werden darf.
    Bestimmt ist es der stillste Ort im ganzen Internat, denkt sie.
    Aber leider schließt die Bücherei schon ziemlich früh, und bis zum Abendessen dauert es noch ein Weilchen. Nach zwei Stunden bleibt Carlotta nichts anderes übrig, als sich auf den Weg zu ihrem Zimmer zu machen.
    Als sie die Tür aufmacht, traut sie ihren Augen kaum. Es sieht es aus, als wäre etwas explodiert. Überall auf dem Fußboden liegen Sachen verstreut: Kleidungsstücke, Bücher, Stofftiere, Schulhefte – einfach alles!
    Sofie sitzt an ihrem Schreibtisch und macht Hausaufgaben, als ginge sie das ganze Tohuwabohu nichts an.
    Carlotta hält die Luft an, bläst die Backen auf und lässt den Atem zischend wieder entweichen.
    „Was ist denn hier los?“, fragt sie, als sie wieder sprechen kann.
    Manu steht vor ihrem Schrank und wickelt seelenruhig einen Schokoriegel aus. „Ganz einfach: Ich fang schon mal an zu packen. Mit fünf Verwarnungen macht man den Abflug. Steht in der Schulordnung, kannst du selbst nachlesen.“ Sie versenkt ihre Zähne in der Schokolade, kaut und grinst. „Morgen krieg ich die erste, fehlen nur noch vier. Die schaff ich locker in ein paar Tagen. Wollen wir wetten? Ich schmeiß schon mal meine Sachen in den Koffer. Das spart ’ne Menge Zeit, wenn’s so weit ist.“ Sie reißt alles aus ihrem Kleiderschrank, was ihr zwischen die Finger kommt, um es anschließend in hohem Bogen über die Schulter ins Zimmer zu werfen. Auf ihrem Bett liegt ein aufgeklappter Koffer, den sie – vergeblich – zu treffen versucht. Das meiste fliegt daneben und bleibt auf dem Fußboden liegen.
    Fröhlich wirft sie eine Handvoll bunt geringelter Socken über die linke Schulter. Ein paar von ihnen landen tatsächlich im Koffer, zwei auf ihrem Schreibtisch. Die letzte bleibt an der Deckenlampe hängen und baumelt sachte hin und her.
    „Dass du rausfliegst, steht doch noch gar nicht fest“, entgegnet Carlotta. Sie hat es im Slalom durchs Zimmer geschafft und setzt sich auf ihre Bettkante. „Warte doch erst mal ab. Vielleicht wirst du nur verwarnt? – Sag du doch auch mal was!“, wendet sie sich an Sofie.
    „Ich?“ Sofie lüftet den Schleier ihrer seidigen Haare und guckt erstaunt. „Wieso ich? Was geht mich das an?“
    „Genau!“, brummt Manu zustimmend.
    Carlotta rauft sich die Haare. Sie würde Manu zu gerne fragen, warum sie es so sehr darauf anlegt, unbedingt vom Internat zu fliegen. Aber dann beschließt sie, es nicht zu tun. Manu würde ihr doch wieder nur eine dumme Antwort geben und blöd grinsen. Sofie hat Recht: Das geht nur Manu selbst etwas an.
    „Dann mach doch, was du willst“, faucht sie in Manus Richtung, „aber räum hinterher wenigstens auf. Das ist auch unser Zimmer, nicht nur deins. Ich hab keine Lust, auf einer Müllkippe zu wohnen!“
    „Klar, mach ich. Keine Panik.“ Manu knüllt das Einwickelpapier zusammen und wirft es hinter sich, bevor sie mit ihrer speziellen Art des Kofferpackens fortfährt.
    Mannomann!, denkt Carlotta. Drei Zicken in einem Zimmer sind eindeutig zwei zu viel! Mama behauptet ja manchmal, dass ich zickig bin, aber gegen Manu und Sofie bin ich echt nur eine harmlose Mini-Ziege. Mama sollte sich die beiden anderen mal angucken, dann wüsste sie, was sie an mir hat!

    In der Nacht wird Carlotta von einem merkwürdigen Geräusch geweckt. Es hört sich an wie ein leises Schniefen. Zuerst denkt Carlotta, dass sich eine ihrer Zimmergenossinnen erkältet hat, aber dann geht das Schniefen plötzlich in unterdrücktes Schluchzen über. Da weint doch jemand! Vorsichtig richtet sie sich auf und späht in die Dunkelheit. Sofies lange Haare schimmern im blassen Mondschein. Die Belgierin liegt auf dem Rücken, die Haare wie ein Fächer auf dem Kopfkissen ausgebreitet, und schläft tief und fest. Von ihr stammen die Geräusche eindeutig nicht.
    In Manus Ecke ist es stockdunkel. Der fahle Lichtschimmer, der durch die Vorhänge ins Zimmer

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