Internat Lindenberg - Freundschaft in Gefahr
das nicht mehr ertragen. Das hält kein Mensch länger aus.“
Leonie war ihre Klassenkameradin, sie war ihre Freundin und sie wohnte mit Hanna im Nachbarzimmer. Sophie hatte sie noch nie so laut schreien gehört. Sogar Nina streifte sich verwundert die Kopfhörer ab und betrachtete ungläubig staunend den merkwürdigen Auftritt. Obwohl Leonies Lautstärke schon am oberen Limit war, merkte Sophie, dass sie sich sogar noch zurückhielt, um nicht völlig auszurasten.
„Ic h … als o …“, suchte Sophie nach den passenden Worten. Jetzt bloß nichts Falsches sagen, sonst drehte Leonie noch völlig durch.
Nina hielt nichts von so viel Rücksichtnahme und polterte zurück. „Jetzt halt mal die Luft an, Leonie! Du weißt doch, dass Sophie üben muss.“
„Was mischst du dich da ein?“, fauchte Leonie, die sich nicht mehr beruhigen ließ. „Kümmere dich um deinen eigenen Mist!“
„Komm mal wieder runter“, meinte Nina erschrocken. Aber Leonie ließ nicht mit sich reden.
„Jetzt ist Ruhe“, beharrte sie und zeigte mit wütender Miene auf Sophies Flöte. „Schluss mit dem ständigen Gedudel, sonst nehme ich dieses blöde Ding un d …“
„Und was?“, fiel ihr Sophie genervt ins Wort. Üben war nicht immer das reine Vergnügen für die, die es sich unfreiwillig mit anhören mussten, dafür hatte sie Verständnis. Aber dass man ihre Flöte als blödes Ding bezeichnete, das konnte sie gar nicht leiden.
„Das wirst du dann schon sehen!“
„Reg dich ab, Leonie, ich bin ja gleich fertig.“
„Dann ist ja gut. Ich hoffe, du sagst die Wahrheit“, meinte Leonie spitz. „Ich gebe dir noch genau fünf Minuten“, fügte sie mit einem Seitenblick auf ihre Armbanduhr hinzu. „Die Zeit läuft!“ Sie schlug krachend die Tür hinter sich zu.
Nina und Sophie starrten sich ungläubig an. Sie wussten nicht, was sie von diesem Auftritt halten sollten. Leonie tobte herum wie Rumpelstilzchen. Sollten sie jetzt darüber lachen oder sich aufregen?
„Was ist denn in die gefahren?“, meinte Sophie. Solche Ausraster kannten sie bislang nicht. Erst recht nicht von Leonie.
„Das muss am Wetter liegen“, sagte Nina. „Du weißt ja, dass Leonie die Hitze nicht bekommt. Aber ich finde trotzdem, du hättest nicht so schnell klein beigeben sollen.“
Wahrscheinlich hatte Nina Recht. In doppelter Hinsicht. Zum einen war die Hitze langsam wirklich kaum noch zu ertragen und machte ihnen allen zu schaffen. Seit zwei Wochen waren es jeden Tag über dreißig Grad gewesen und sogar nachts kühlte es nicht mehr richtig ab. Und zum anderen hätte Sophie nicht so schnell nachgeben sollen. Hitze hin, Hitze her, sie übte ja nicht zum Spaß. Und erst recht nicht, um Leonie oder sonst irgendjemanden zu ärgern. Aber mit Leonie war in diesem Zustand einfach nicht zu reden. Sich mit ihr anzulegen, hätte alles bestimmt nur noch schlimmer gemacht.
Als Leonie mit rotem Gesicht, aber zufriedenem Grinsen ins Zimmer zurückkam, blickte Hanna auf und legte die Kopfhörer ab.
„Der habe ich mal richtig die Meinung gegeigt!“, beantwortete Leonie den fragenden Blick ihrer Freundin.
„Warum machst du es nicht einfach wie ich und setzt dir Kopfhörer auf?“, schlug Hanna ihr vor. „Das macht Nina doch auch so, und sie sitzt direkt daneben, wenn Sophie übt.“ Hanna kannte Leonies Problem mit Sophies Übungsstunden nur zu gut.
„Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn ich Musik höre. Wenn ich was schreiben will, brauche ich einfach Ruhe.“
„Und jetzt ist Ruhe?“, meinte Hanna mit einem skeptischen Blick zur Zimmerwand. Immer noch ertönten die berühmten acht Takte, die Sophie scheinbar endlos wiederholte. Obwohl man sie wirklich nur hören konnte, wenn man genau darauf achtete.
„Warten wir es ab“, sagte Leonie düster und hielt den Sekundenzeiger ihrer Uhr genau im Blick. „Sophie hat noch ganz genau zwanzig Sekunden.“
Die Sekunden verstrichen und von drüben war zu hören, wie die Passage noch einmal und noch einmal wiederholt wurde. Leonie sprang wütend auf und wollte erneut ins Nachbarzimmer rennen.
„Warte doch mal“, rief Hanna und hielt sie am T-Shirt fest. Das Flötenspiel war verstummt. Leonie starrte auf ihre Uhr. Die beiden lauschten mit angehaltenem Atem. Es blieb still.
„Das waren genau fünf Minuten und vierunddreißig Sekunden“, stellte Leonie fest. „Na gut, da will ich noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen.“
Durch diesen Teilerfolg beruhigte sie sich wenigstens ein bisschen. Hanna
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