Intimitaet und Verlangen
dass du mich dazu gebracht hast, dich zu lieben.« Offenbar sind Lieben und Wählen nicht immer miteinander verbunden. Sie können in jemanden verliebt sein und sich wünschen, es wäre nicht so. Sie können Verlangen nach jemandem verspüren und sich wünschen, es wäre nicht der Fall. Sie können aber auch kein Verlangen nach jemandem haben und froh darüber sein. Sie mögen Ihren Partner nicht wollen, wissen aber, dass Sie dies nicht zeigen sollten.
Das Wollen wollen
Wenn Sie sich die romantische Liebesgeschichte anschauen, die Ihnen am besten gefällt, werden Sie mit ziemlicher Sicherheit feststellen, dass bewusst gewähltes und frei angenommenes Verlangen in ihr wichtige Rollen spielen. Diese Art von Verlangen wollen wir in uns spüren, und wir wollen auch, dass unser Partner es uns gegenüber hat.
Wollen Sie wirklich ein stärkeres Verlangen? Vielleicht ist das gar nicht so. Ihr Verlangen danach, Verlangen zu haben â und Ihre Absicht, Ihre eigene Situation zu beeinflussen â, entscheidet darüber, ob Sie Erfolg haben werden. Jeder weià das. Deshalb spiegelte Helen Tom bezüglich seiner Abneigung gegen Sex mit ihr und gegen die Ehe ziemlich zutreffend.
Tom bezeichnete sein Problem als mangelndes Verlangen nach Sex oder nach einer neuen Ehe (d.h., er war nicht dazu motiviert). Das eigentliche Problem war jedoch nicht, dass er keinen Sex wollte oder Helen nicht als Partnerin wollte. Tom wollte ganz einfach nicht wollen. Punkt.
Die Absicht ist bei Problemen, die das sexuelle Verlangen betreffen, ungeheuer wichtig. Partner bewegen sich in einer Art Tanz um diesen Punkt, indem sie einen Wunsch nach Verlangen (nach Sex oder nach ihrem Partner) ausdrücken, wobei sie sich fälschlich so darstellen, als seien sie für die Entwicklung von Verlangen offen, obwohl sie dies gar nicht sind. Dadurch verhindern sie, dass der andere Partner ihr Verhalten persönlich nimmt. Wenn Sie Ihr Verlangen danach, Verlangen zu haben, falsch darstellen, stützt dieses Manöver ihr gespiegeltes Selbstempfinden nur für kurze Zeit.
Kann man etwas wollen, das man nie hatte?
Tom wollte nicht wollen , weil Wollen ihm das Gefühl vermittelte, verletzlich zu sein. Erlebnisse mit seiner Mutter hatten ihn gelehrt, dass ihre Liebe ihn für ihre Manipulationsversuche anfällig machte. AuÃerdem konnte er es nicht ertragen, auf Möglichkeiten verzichten zu müssen, die er nicht erprobt hatte. Vielleicht gab es ja irgendwo doch noch eine Partnerin, die sich besser für ihn eignete. Doch überhaupt nicht umgehen konnte Tom damit, etwas oder jemanden zu wollen und dann nicht zu bekommen, was er wollte. Wollen brachte ihn mit einem inneren Gefühl der Leere in Kontakt, das er um jeden Preis zu vermeiden versuchte.
Dies kam in einer unserer Sitzungen zum Ausdruck. Tom hatte das Problem, um das es ging, so dargestellt, als wisse er nicht, was er wolle. Wenn er wüsste, was er wolle, so erklärte er, würde er es auch wollen. Doch tatsächlich erzeugt das Wollen selbst ein beunruhigendes Mangelgefühl.
Ich fragte Tom, ob seine momentane Beziehung die beste sei, die er jemals gehabt habe. Er dachte einen Augenblick nach und bestätigte dies dann. »Vielleicht können Sie es sich nicht leisten, über eine Heirat oder über Sex zu entscheiden, weil Sie sich dadurch anfällig dafür machen würden, die beste Beziehung zu wollen, die Sie jemals hatten.«
Tom versuchte, sich auf vertrauteres Gelände zurückzuziehen. »Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich nicht viele gute Beziehungen hatte. Wie soll ich etwas wollen können, das ich gar nicht kenne? Wie ist es bei Menschen, die eine beschissene Kindheit hatten? Können sie Verlangen nach etwas entwickeln, dassie nie gehabt haben?« Tom glaubte, er hätte ein unwiderlegbares Argument gefunden.
Ohne zu zögern antwortete ich: »Na klar!« â wobei ich mich bemühte, möglichst wenig angriffslustig zu klingen. Tom war überrascht. Er war nicht mein erster Klient, der die These entwickelt hatte, er könne nach etwas, das er nie kennengelernt habe, kein Verlangen entwickeln, etwa so wie bei einer Frucht, die man noch nie gekostet hat. Diese Argumentation wird der Essenz menschlichen Verlangens nicht gerecht: Beim Verlangen geht es ausschlieÃlich darum, etwas zu bekommen, das man noch nie hatte, darum, etwas zu tun, das man noch nie getan hat, und darum,
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