Intimitaet und Verlangen
Aufmerksamkeit bekommt, obwohl Sie sie ständig beobachten. Sie spiegeln permanent Helens Geist, um abzuschätzen, wie sehr sie Sie will, und um dann Ihr Verlangen so zu manipulieren, dass Sie immer derjenige sind, der weniger will.«
»Was wäre, wenn dies zuträfe und ich mir wünschen würde, es zu verändern? Es wäre gut für uns beide, wenn ich Helen wirklich wollte.«
»Wie Sie sehen, ist Helen frustriert, weil Sie nicht in der Lage sind, hinsichtlich Ihrer gemeinsamen Beziehung eine Entscheidung zu treffen. Wenn sie nicht frustriert ist, setzen Sie sich nicht mit ihr auseinander, und wenn Sie frustriert ist, tun Sie es auch nicht. Aber als Helen heute an den Punkt kam, an dem sie bereit war aufzugeben, und als Sie daraufhin glaubten, sie wolle Sie nicht mehr, da erst brachten Sie den Wunsch zum Ausdruck, ein stärkeres Verlangen zu entwickeln. Das ist alles, was Sie erreichen müssen. Nicht einmal Sex mit ihr ist erforderlich. Was ich soeben beschrieben habe, reicht aus, damit Helen Sie weiterhin will.«
Tom lächelte. Er war erwischt worden. Er sah Helen an, um festzustellen, wie sie reagierte. Helen sagte: »Wir sind beide so erbärmlich!« Ich ging auf Helens Bemerkung nicht ein und redete weiter mit Tom.
Toms Wendepunkt
Helen schaute an die Decke und versuchte, das Weinen zu unterdrücken. Sie vergegenwärtigte sich, wie sie sich damit zufriedengab, »möglicherweise« gewollt zu werden. Tom saà vorgelehnt auf dem Rand der Couch und versuchte, mich in ein Gespräch zu verwickeln. In seiner Stimme schwang jetzt kein Sarkasmus mehr mit. »Was ist denn eigentlich mit mir los, Doktor?«
»Sie wollen gewollt werden, aber Sie wollen selbst nicht wollen. Wenn Sie eine Frau wie Helen finden, kommen Sie mit dieser Haltung eine Weile durch. Aber wenn Sie auf jemanden stoÃen, der eher Ihnen selbst ähnelt, wäre Ihre Beziehung zu einer solchen Partnerin wahrscheinlich sehr stark gefährdet, nur von kurzer Dauer und hätte ein unschönes Ende.«
»Sie beschreiben die Beziehung, die ich hatte, bevor ich Helen kennenlernte.« Tom bot mir nun eine andere Art von Allianz an. Ich wusste nicht, ob sie dauerhaft sein würde, aber zumindest war dies ein Wendepunkt.
»Ich habe das in Ihrer Anamnese gesehen. Ich nehme an, dass Sie Helen ausgewählt haben, weil Sie etwas anderes wollten.«
Tom sagte: »Ja! Ich wollte etwas anderes.«
Ein paar Sekunden lang herrschte Stille. Dann fügte Helen hinzu: »Und an diesem Punkt betritt die Närrin die Bühne â damit meine ich mich. Ich fühle mich gedemütigt. Ich bin wütend auf dich, Tom, weil du mich auf diese Weise manipuliert hast. Aber noch wütender bin ich auf mich selbst, weil ich mich so von dir habe behandeln lassen.«
Dies war ein bedeutungsschwerer Augenblick. Ich sprach langsam und versuchte, unsere Sitzung zu einem Abschluss zu bringen. »Wenn Sie es schaffen, an diesem Punkt zu bleiben und sich ein wenig zu beruhigen, gelingt es Ihnen vielleicht, etwas an der Situation zu ändern.«
Ich schaute Tom an. »Wenn Sie etwas sehnlichst ändern wollen, können Sie die schwierigen Entscheidungen treffen, die erforderlich sind, damit Sie bekommen, was Sie wirklich wollen .«
Dann wendete ich mich an Helen. »Wenn Sie wütend genug sind und sich entsprechend gedemütigt fühlen, können Sie sich fragen, warum Sie dies alles zugelassen haben.« Helen und Tom verlieÃen meine Praxis mit ernsten Gesichtern.
»Zwickmühlen« und Entscheidungsdilemmata
Normale Paare haben Verlangensprobleme aufgrund der Entscheidungszwänge, die mit Liebesbeziehungen praktisch immer verbunden sind. Ich bezeichne diese Situationen als two-choice dilemmas , was in etwa dem deutschen Ausdruck »Zwickmühle« entspricht. Gemeint ist damit eine Situation, in der Sie sich gern für zwei Alternativen gleichzeitig entscheiden würden, sich aber mit einer zufriedengeben müssen. Solche Dilemmata entsprechen der bekannten Redensart, dass man »den Kuchen gern essen und ihn trotzdem später noch haben möchte.« In langfristigen Liebesbeziehungen tauchen solche Zwickmühlen massenhaft auf. Helens ÃuÃerung »Ich will, dass du mich willst, aber ich brauche es auch, dass du mich brauchst« und Toms Erklärung »Ich will, dass du mich willst, aber ich will nicht wollen« sind Beispiele für diese
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