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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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viel zu bitten. Ihre Eltern waren ihr gegenüber freundlicher gewesen, wenn sie bei irgendetwas die Hilfe ihrer Tochter brauchten.
    Wollen Sie gewollt werden, brauchen es aber, gebraucht zu werden?
    Helen war mit Tom im Bett hochzufrieden gewesen. Sie war eine aufmerksame und aktive Partnerin, und es war ihr sehr wichtig, ihrem Partner gefällig zu sein. Sie beklagte sich nicht, wenn sie selbst keinen Orgasmus erreichte, und sorgte in jedem Fall dafür, dass er ihn bekam. Wenn ihm nicht danach war, auch ihr dazu zu verhelfen, war das für sie kein Problem.
    Ich sagte zu Helen: »Es klingt ganz so, als ob Sie das Wollen für sich selbst und Tom übernähmen.«
    Â»Ich bin besser darin als Tom.«
    Ich fuhr fort: »So wie Sie das sagen, klingt es wie eine Tugend. Meiner Meinung nach übernehmen Sie das Wollen für sich selbst und Tom, weil Sie glauben, Tom könnte das nicht, und weil Sie außerdem von ihm auch nicht erwarten, dasser es tut. Aber Ihr Wollen entspringt nicht den besten Kräften in Ihnen. Es entspringt Ihrer Bedürftigkeit, nicht der Tatsache, dass Sie stärker sind.«
    Helen verstand offenbar, was ich ihr mitteilen wollte, reagierte aber defensiv darauf. »Ich bin der Meinung, dass ich Tom gewählt habe. Tom hat mich nicht gewählt.«
    Â»In vielen Ehen wählt ein Partner den anderen, und der andere Partner heiratet, weil er dann nicht zu wählen braucht. Tom hat Sie nie gewählt, weil das nicht nötig war oder weil er es nicht wollte. Sie haben ihn gewählt, um Ihr emotionales Gleichgewicht besser wahren zu können. Er hat Sie nicht gewählt, weil es ihm schwerfiel, bei sich zu bleiben. Viele Paare weichen der schwierigen Frage ›Wer hat wen gewählt?‹ aus.«
    Â»Ich will, dass Tom mich will, und zwar nicht nur wegen des Sex.«
    Â»Sie verstehen offenbar, worum es geht: Sie brauchen , dass er Sie will.«
    Helen versuchte, sich zu verteidigen: »Es spricht doch nichts dagegen, dass ich möchte, dass Tom mich will. Das gibt mir das Gefühl, für ihn wichtig zu sein.«
    Â»Genau so ist es. Aber es verhindert, dass Sie bekommen, was Sie, wie Sie sagen, wollen.«
    Â»Wieso?«
    Â»Sie möchten, dass Tom Sie will, dass er Sie wählt?«
    Â»Ja.«
    Â»Und Sie wollen, dass er Sie braucht?«
    Â»Ja.«
    Â»Solange Tom Sie braucht, kann er Sie leider nicht wählen. Er hat dann einfach nicht sonderlich viele Wahlmöglichkeiten.«
    Â»Ohhh …«
    Â»Sie mögen wollen, gewollt zu werden, doch Ihr wankendes gespiegeltes Selbstempfinden braucht die Sicherheit, gebraucht zu werden. Sie machen sich für Ihren Partner unentbehrlich.«
    Â»Ohhh …« Helens Augen wurden groß.
    Â»Wer also verhindert, dass Sie gewählt werden? Letztlich Sie selbst – aufgrund Ihres Bedürfnisses, gebraucht zu werden.«
    Â»Ohhh …« Von diesem Augenblick an setzte Helen sich damit auseinander, dass sie noch nie gewählt worden war. Sie machte sich klar, dass sie Toms Weigerung, sie zu wählen, aus Bequemlichkeit ignoriert hatte. Von diesem Moment an entwickelte Helen unbeirrbar einen Fokus: Sie wollte mit einem Menschen zusammenleben, der den Mumm hatte, sie zu wählen.
    Â»Ich glaube, ich bin mein Leben lang geduldet worden. Ich habe mich auf jeden gestürzt, der mich haben wollte. Ich weiß, dass mein erster Mann mich nie gewählt hat. Er wollte eigentlich eine andere Frau heiraten, doch als sie sich für einen anderen entschied, heiratete er mich. Und ich bin auch eindeutig nicht die Frau, für die sich Tom begeistert entschieden hat. Ich gebe mich mit Männern zufrieden, denen es gefällt, mich zur Gesellschaft zu haben.« Helen schaute zuerst Tom und dann mich an. »Vielleicht mache ich mir etwas vor. Ich weiß selbst, dass ich Fehler und Mängel habe. Aber ich finde, dass ich es verdiene, mit jemandem zusammen zu sein, der mich wirklich will!« Sie klang sehr entschlossen.
    Bewusst gewähltes, frei angenommenes Verlangen
    Als ich an früherer Stelle schrieb, man könne das Verlangen erweitern, meinte ich das bewusst gewählte, frei angenommene Verlangen . Wählen und Wollen sind wichtige Aspekte des Verlangens.
    Eine weitere Ebene des Verlangens betrifft die Intentionalität. Al Jolson, ein Sänger der 1940er Jahre, balzte: »Du hast mich dazu gebracht, dich zu lieben! Ich wollte es nicht! Ich wollte es nicht! Du weißt,

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