Intimitaet und Verlangen
die Schliche zu kommen versuchte, ab. Dies erschwerte es mir, eine kollaborative Allianz zu ihm zu entwickeln, wobei er selbst immer wieder beteuerte, eine solche Allianz bestünde zwischen uns. Erversicherte, zumindest er habe eine solche Allianz mit mir â womit er implizit erklärte, er sei sich nicht sicher, was meine Motivation sei. Als ich daraufhin nachhakte, sagte er, er vertraue mir.
Anthony erklärte, er könne sich an seine Kindheit nicht besonders gut erinnern. Als ich ihn aufforderte, mir zumindest das Wenige, woran er sich erinnerte, zu erzählen, wechselte er das Thema. Nachdem es mir gelungen war, ihn wieder zu meiner Aufforderung zurückzulenken, behauptete er, er könne sich an gar nichts mehr erinnern. Ich wies ihn darauf hin, dass er einen Augenblick zuvor gesagt habe, er könne sich nicht an viel erinnern, was ja wohl bedeute, dass er sich zumindest an einige Dinge erinnere.
Bevor er antwortete, nahm ich von meiner Frage Abstand, weil ich bereits einige der Informationen, die ich brauchte, erhalten hatte: Anthony war erstaunlich geschickt darin, sich nicht festnageln zu lassen. Dies war ihm nur möglich, indem er verfolgte, welche Richtung ich einschlagen würde. Wenn ich über ihn herfiele und ihn in die Enge triebe, wiederholten wir nur die »Vertraue mir«-Kontrollverlust-Dynamik, die seine Beziehung zu Colleen bestimmte.
Ich verlagerte die Aufmerksamkeit nun auf die »Fechtpartie«, die zwischen uns im Gange war. Ich sagte: »Wissen Sie, ein Mensch kann nicht ein solches Maà an Perfektion darin entwickeln, zu verbergen, was in seinem Geist vor sich geht, ohne dass er sehr häufig übt, emotionale oder körperliche Angriffe abzuwehren.« Anthony schaute mich misstrauisch an. »Sie sind erstaunlich geschickt!«
Anthonys Gesicht wurde unergründlich und teilnahmslos wie eine Maske. Ich wies ihn darauf hin. »Das genau meine ich.« Er erhielt die Maske noch einige Sekunden lang aufrecht. Dann nickte er reumütig und fing an, über eine Kindheit zu reden, in der er vollauf damit beschäftigt gewesen war, sich gegen seine Mutter zur Wehr zu setzen.
»Meine Mutter hat in der Fabrik beim Bedienen einer Maschine einen Arm verloren. Danach wurde die Situation bei uns zu Hause ziemlich schnell unerträglich. Weil sie zu körperlichen Aktivitäten nicht in der Lage war, versuchte sie, uns Kinder so zu steuern, als ob wir ihre fehlende Hand wären. Wir mussten alles tun, was sie für notwendig hielt. Mit Hilfe eines Stocks sorgte sie dafür, dass wir ihr gehorchten. Mein Vater hielt sich raus und überlieà unser Schicksal voll und ganz ihr. Und sie zog über unsere Freundinnen her, weil sie fürchtete, ihre zusätzlichen Hände zu verlieren. Genauso kam es, als meine Brüder und ich alt genug waren, um unser Elternhaus zu verlassen.«
»Habe ich das richtig verstanden?«, fragte ich Anthony und lehnte mich zuihm vor. »Sie haben eine einarmige Mutter, die Sie gern gekitzelt hat, bis Sie sich nicht mehr bewegen konnten. Und als Sie älter geworden waren, versuchte sie auf andere Weise âºFangenâ¹ mit Ihnen zu spielen?« Anthony nickte. »Und Ihr Vater hat sie bestenfalls ihr überlassen und hat nie interveniert, und schlimmstenfalls hat er Ihre Mutter sogar unterstützt?« Wieder nickte er. »Dann halte ich es für ziemlich sicher, dass Ihre Vorstellung von Liebe die Möglichkeit, eine kollaborative Allianz aufzubauen, nicht einschlieÃt.«
Anthony zuckte zusammen und schluckte. Er hatte einen dicken Kloà im Hals.
Entwickeln Sie eine vielschichtige Lösung
Es gibt Untersuchungen, nach denen das Gehirn missbrauchter und misshandelter Kinder generell kleiner und der Informationsaustausch zwischen ihrer rechten und linken Gehirnhälfte beeinträchtigt ist. 10 Traumatische Erlebnisse wirken sich negativ auf Bemühungen aus, den Geist zu einem kohärenten Ganzen zu machen. Dies hängt teilweise mit veränderten Synapsenverbindungen und teilweise mit einer Störung der Verbindung zwischen rechter und linker Gehirnhälfte zusammen. Traumata wirken sich negativ auf das Streben des Geistes nach innerer und interpersonaler Integration aus.
Für die Auflösung von Traumata ist eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen rechter und linker Gehirnhälfte unverzichtbar. In solchen Fällen müssen die dominierenden Prozesse beider Heimsphären
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