Intimitaet und Verlangen
berührt, lautet die Antwort immer nein. Wenn ich sie küssen will, ist es genauso. Es spielt keine Rolle, ob ich den Abwasch mache, nett mit ihr rede oder mit ihr ausgehe. Sobald es um Sex geht, erstarrt sie, und ich bin gezwungen, nach ihrer Pfeife zu tanzen, weil ich sonst nur noch in die Röhre gucke. Wenn Sie mir jetzt auch noch sagen, ich solle es so machen, wie sie es will, dann gehe ich hier raus und komme nie mehr wieder!«
Ich wartete ein wenig, damit sich die Wogen glätten konnten, und antwortete: »Dann brauchen Sie jetzt wohl nicht zu gehen. Ich werde weder Ihnen noch Connie empfehlen, âºes einfach zu tunâ¹. Ein Grund dafür ist, dass ich Ihnen nicht verderben möchte, sich gewollt zu fühlen. Wenn Connie es tatsächlich einfach tun würde, würden Sie trotzdem nicht gewollt . Und ich höre Sie zwar sagen, Sie wünschen sich Sex mit Connie, aber ich glaube, Sie möchten auch, dass Connie Siewill.« Brett schaute verlegen auf seine Schuhe. Als sein Blick sich wieder mir zuwandte, nickte er, und seine Stimmung war deutlich gedämpfter.
»Meine Klienten sind irgendwann in der Lage, âºesâ¹ einfach zu tun, um ihren Partnern entgegenzukommen, und das stärkt dann ihr Selbstwertgefühl, statt es zu schwächen . Aber das ist ihnen erst am Ende der Behandlung möglich, nicht schon am Anfang. Würde ich ihnen gleich zu Beginn empfehlen: âºTut es einfach!â¹, käme das der Aufforderung gleich, die eigenen Gefühle zu ignorieren â was ich niemals tue. Um in der Lage zu sein, Ihrem Partner groÃzügig, flexibel und rücksichtsvoll zu begegnen, müssen Sie sich auf einen natürlichen persönlichen Wachstumsprozess einlassen. Abkürzungen und Predigten über Rücksichtnahme bringen Sie dabei nicht weiter.«
Beiden Partnern war mittlerweile klar, dass ich sie nicht auffordern würde, sich den Wünschen des anderen zu fügen. Was ich gesagt hatte, empfanden beide als plausibel.
»Warum ist mein Verlangen denn schwächer?«, fragte Connie.
»Ich könnte nicht einmal mit Sicherheit behaupten, dass Ihr Verlangen grundsätzlich schwach ist. Aber dass Sie in dieser Beziehung der Partner mit dem schwächeren Verlangen sind, ist offensichtlich.«
Nachdem sie diese Frage gestellt hatte, wusste ich, dass die Dinge allmählich in Bewegung kamen.
Es gibt immer einen »Partner mit schwachem Verlangen« und einen »Partner mit starkem Verlangen«
Ich möchte Sie auf eine grundsätzliche Wahrheit über das sexuelle Verlangen hinweisen, die von Zeit, Kultur und persönlichen Lebensumständen völlig unabhängig ist: Es gibt immer einen Partner mit schwächerem Verlangen, ebenso wie es immer einen Partner mit stärkerem Verlangen gibt. Dies ist eine wichtige Veränderung des Blickwinkels, ähnlich grundsätzlich wie der Wechsel von der Auffassung, die Welt sei eine Scheibe, zu der, die Welt sei rund. Eine solche Veränderung der Sichtweise führt zu einem völlig anderen Bild Ihrer selbst und Ihres Partners.
Dieses neue Bild kann Ihr Selbstempfinden völlig verändern, ganz gleich, ob Sie der verlangensschwache oder der verlangensstarke Partner sind. Es ermöglicht Ihnen, Ihre Defensivität und Ihr Gefühl, unzulänglich oder »anders« zu sein, aufzugeben. Es handelt sich dabei um eine nicht-pathologisierende Sicht derEntstehung von Lustproblemen: Der verlangensschwache und der verlangensstarke Partner sind Positionen in einer Beziehung.
Genauer gesagt sind die beiden Grundpositionen innerhalb einer Beziehung die des Partners mit dem schwächeren und die desjenigen mit dem stärkeren Verlangen. Allerdings ist es rein sprachlich leichter, von einem verlangensstarken und einem verlangensschwachen Partner zu sprechen, sofern uns der soeben beschriebene Sachverhalt klar ist.
Hinsichtlich jeder Thematik und jeder Entscheidung, um die es in Ihrer Beziehung geht, gibt es einen Partner mit stärkerem und einen mit schwächerem Verlangen. Der eine (der verlangensstarke) will etwas, das der andere (der verlangensschwächere) nicht oder zumindest erheblich weniger will. Selbst wenn Sie und Ihr Partner das Gleiche wollen, will einer von Ihnen die betreffende Sache stets mehr als der andere. An jedem Punkt einer Auseinandersetzung sind »starkes Verlangen« und »schwaches Verlangen« Positionen, die Partner zueinander beziehen. Und sobald ein
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