Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
Vom Netzwerk:
der Nähe der Stelle, wo er das grüne Leuchten zuerst gesehen hatte, senkte sich der Traum erneut herab. Der gleiche Traum: Herbert ertrank, wild um sich schlagend, in einem brodelnden, giftigen Meer. Seine Reaktion auf die Nachricht von Adens Tod. Auf die Nachricht vom egoistischen, gestohlenen Tod seines Enkels. Aden beobachtete, wie der Traum herabschwebte. Er hatte die Arme ausgestreckt, und Tränen liefen ihm über die Wangen. »Es tut mir so leid«, wollte er sagen, aber es war, als erstickte er an den Worten. Zu spät jetzt, zu spät.
    Ein Bär, eine Hyäne und ein Schakal tauchten aus dem Wald auf. Aden war gerade dabei, sich in das fahlgrüne Licht zu werfen. Der Bär schwenkte mit lautem Gebrüll die Pranken. Er kam Aden vertraut vor, aber ohne die Hyäne an seiner Seite hätte er ihn nicht erkannt. »Leben Sie wohl, Mister Gorr!«, rief Aden.
    Der Bär brummte, versuchte etwas zu sagen. Endlich gelang es ihm, ein paar verständliche Worte zu formen. »Nimm … Jungen mit.«
    Aden spürte einen Stich mitten ins Herz. »Ich nehme euch alle mit«, rief er. »Wenn auch ein wenig anders, als ihr euch das vorstellt. Lebt wohl!« Er trat im gleichen Moment in den Traum seines Großvaters, da die Überreste von Schloss Eisennetz ausgelöscht wurden.
    Mister Gorr, der nicht verstand, was er meinte – wie sollte er auch? –, tobte vor Kummer und Zorn. Der Traum schwebte zum Himmel. Aden schwamm in dem grünen Leuchten wie in einem warmen Bad. Die Erscheinung seines Großvaters lächelte ihn an – verdrängte den Kummer für ein Lächeln, ein trauriges Lächeln, und streckte tröstend eine Hand nach ihm aus.
    Über den Himmel driftete Aden mit dem Traum, ziellos, da Schloss Eisennetz ihn nicht mehr in seinen Bann zog. Er fühlte sich geborgen in der giftgrünen Wolke, warm und geborgen. Der Traum schwebte in großer Höhe.
    Die Sterne ringsum funkelten nicht, sondern dämmerten matt vor sich hin wie große Lampen, die darauf warteten, eingeschaltet zu werden. Der Traum segelte mit der Geschwindigkeit windgetriebener Wolken in neue Sternhaufen, erfand neue Formen für ihre Heldendramen.
    Wenngleich Großvater und Enkel immer noch gegen die Tränen ankämpften, betrachtete Aden strahlend die Wunder, die ihn umgaben. Hier konnte man wirklich nach den Sternen greifen! Und genau das tat er, als der Traum dicht an einem der Himmelskörper vorbeikam. Seine Knöchel stießen gegen die Oberfläche. Sie fühlte sich wie Glas an und gab doch nach, als er sie berührte. Dann beugte er sich weit vor, bis sein Kopf den grünen Nebel durchstieß, und beobachtete die Vernichtung in der Tiefe.
    Von hier oben wirkten Land und Leute wie Miniaturen, die jemand auf einer großen Tischplatte angeordnet hatte. Der Glaswall rückte näher wie eine Meereswoge, die Meilen in Sekunden verschlang. Die Ödnis, die sie zurückließ, war wie das Dunkel hinter geschlossenen Augen, wenn auf der anderen Seite der Lider heller Tag den Schlaf unterbricht: flackernd und schmerzhaft rot. Dass der Wall auch das Grauen geschluckt hatte, spielte überhaupt keine Rolle.
    Die Kämpfenden in der Umgebung des Schlosses waren immer noch in ihren wilden Tanz verstrickt. Diejenigen, die am weitesten außen standen, drehten sich um, als der Wall vor Schloss Eisennetz anhielt. Tom umkreiste auf seinem Drachen mit lautem Geschrei die Turmspitzen, die das Eisengitter getragen hatten.
    Tom hatte von Anfang an begriffen, dass er keine Macht über all das besaß, er nicht und auch sonst niemand. Sein Drache jagte auf die Barriere zu und durchstieß sie. Einen Moment lang verharrte sie und schien zurückzuweichen, als sich in ihrer glatten Oberfläche spinnwebartige Risse ausbreiteten.
    Dann rückte sie weiter vor wie geplant und verschlang alles. Nightfall war tot.
    Da war ein helles Licht, ein hellgrünes Licht, dann weiß, dann …
    Aden betrat das Zimmer eines Pflegeheims. Er erkannte den Raum wieder. Hier hatte er seinen Großvater besucht, kurz nachdem die Krankheit ausgebrochen war. Helles Sonnenlicht sickerte durch die weißen Vorhänge. Herbert Keenan saß in einem Rollstuhl. Er war alt, aber sein klarer Blick verriet, dass er seine Umgebung wahrnahm . »Du hast es geschafft«, sagte er ruhig.
    Aden war mit ein paar schnellen Schritten bei ihm und umarmte ihn. »Du bist hier! Du lebst!«
    »Ich bin hier. Ich war die ganze Zeit hier. Es ist zwar so, dass mir alles … entgleitet. Aber noch bin ich hier.«
    »Das ist nicht das echte Krankenzimmer, Opa, oder?

Weitere Kostenlose Bücher