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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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Schönheit wirkte nun etwas düster, unheimlich – die Haare schwarz, die Haut mondweiß. »Besser?«, fragte sie lächelnd. »Was bist du?«
    »Ein Geist wie du. Ein Toter.«
    Ihr Lächeln nahm etwas Zynisches an. »Noch nicht.«
    »Du bist doch auch ein Geist, oder?«
    »Wenn du meinst.« Sie lachte.
    »Ein Engel vielleicht? Oder was sonst? Jedenfalls kein Mensch. Nicht nur Mensch zumindest. Eine Sirene?«
    »Ich bin, was immer du in mir sehen möchtest. Nun hör zu! Ich habe Hunger und keine Zeit, mit Mäusen zu spielen. Muse streift durch die Wälder, mit einer neuen Abscheulichkeit in den Armen. Ich werde ihr folgen.«
    »Muse!«, rief er. »Wo?«
    »Das geht dich nichts an! Siehst du das Fenster dort? Kannst du es für mich aufhebeln? Es führt in die Küche. Hol aus der Speisekammer, was du findest, und wirf es mir zu! Wenn der Priester auftaucht, schlag ihn nieder! Schlag ihn tot! Das wird dir nicht schwerfallen; er ist alt. Dann kommst du mit mir in die Wälder und trägst das Zeug zu meinem Haus.«
    Er dachte keine Sekunde daran, ihr zu widersprechen. Ihre Forderungen erschienen ihm ganz und gar vernünftig, mit der Aussicht auf eine Belohnung, sobald er sie erfüllt hatte. Er presste beide Handflächen gegen das Fensterglas und versuchte die Scheibe hochzuschieben. Sie rührte sich nicht vom Fleck. »Zerbrich sie!«, drängte sie.
    Er zögerte.
    »Mit den Fäusten. Zerbrich sie!«
    »Nein.« Er wandte sich ihr zu und sah die Hässlichkeit einer Frau, die den bitteren Geschmack von Macht erfahren hatte, sah sie eingegraben in die perfekte Schönheit ihres Gesichts. »Lass mich verdammt noch mal in Frieden«, sagte er.
    Ein greller Lichtschein loderte auf und hüllte sie ein. »Zerbrich das Glas!« Er konnte ihre Worte nicht hören, aber der Befehl war übermächtig. In seinem Innern hallte Gelächter wider, ihres und seines. Plötzlich begriff er die Komik der Situation, auch wenn der Spaß auf seine Kosten ging. Er stand im Begriff, sich die Arme aufzuschlitzen, aber das war ohnehin seine Absicht gewesen. Sie betrachtete ihn als ihren Hampelmann, und ihm machte das nichts aus. Das war der Spaß, der auf ihre Kosten ging. Er hatte sich vollkommen in der Gewalt, als er ausholte, um die Scheibe zu zerschmettern.
    Ein Gesicht erschien am Fenster, und der Zauber, mit dem sie ihn gebannt hatte, wirkte nicht mehr.
    Ihre Aura schwächte sich wieder ab. Sie fluchte. Der Mann, der nach draußen starrte, hatte eine wilde, rötlich braune Lockenmähne und einen Bart, der sich in unregelmäßigen Inseln über seine Wangen verteilte. Abscheuliche Lumpen bedeckten Arme und Schultern. Er riss das Fenster mit einem Ruck auf. Sein Gestank wehte Aden entgegen. »Da haben wir also die Diebin!«, brüllte er und funkelte die Frau wütend an. »So geht das nicht! Völlig verzerrte Moralbegriffe! Stiehl, wenn du stehlen musst! Töte, wenn du töten musst! Sei böse, sei gut, sei eine Hexe – was immer du sein musst! Brenne die Welt nieder und baue sie neu auf! Aber diesen heiligen Ort plündern? Mein Haus bestehlen, mich bestehlen, der ich dir diese bitter nötige Botschaft bringe? Mach irgendwo Halt, Mädchen! Mach irgendwo Halt!«
    Er wandte sich Aden zu. »Und du? Bist du ein Opfer? Ist es das, was du sein willst? Ist das die Rolle, die du spielen möchtest? Gefällst du dir als Spielzeug eines Hexenmädchens? Lächerlich. Überlass das anderen und such dir etwas mit mehr Anspruch! Lauf, mein Kleiner, flieh vor ihrem Gift!« Er unterbrach sich und musterte Aden genauer. Seine Augen weiteten sich, als er das Muttermal an Adens Hals sah. »Du! Ich kenne dich! Wo habe ich dich schon mal gesehen?«
    Die Frau packte Aden am Arm und zerrte ihn vom Fenster weg. »Komm mit mir«, sagte sie.
    Aden riss sich von ihr los. »Noch nicht.«
    Sie runzelte die Stirn. Wieder ging ein Strahlen von ihr aus, heller als zuvor. Die Streifen ihres Kleides schillerten in leuchtenden Farben. Ihre Stimme jagte Schauer durch seinen Körper. »Geh schlafen, Alter«, sagte sie sanft. »Ich bin nicht deine Diebin. Ich bin deine Tochter. Geh und warte auf mich! Du bist sehr müde.«
    Das Gesicht im Fenster verzerrte sich vor Schmerz, vor Anstrengung. Der alte Mann wich einen Schritt vom Fenster zurück – Triumph leuchtete in den Augen der Frau –, doch dann schüttelte er sich und brüllte: »Ich bin nicht dein Opfer! Ich lasse dir die Haut in Fetzen peitschen! Tochter? Tochter? Du bist keine Tochter, von nichts und niemand bist du eine Tochter!

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