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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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der Brust gefaltet, die schwarz-rote Robe lässig bis über die Knie hochgeschoben. Ringsum saßen seine geliebten Schöpfungen: einundsechzig Menschen von unterschiedlichstem Aussehen, Alter und Maß, die einen in Luxusgewänder, andere wiederum in Lumpen gehüllt. Morgen würde ein Diener seines Vertrauens einen der vollen Bottiche hierher bringen und einen Schöpflöffel Licht über jeden der Sitzenden gießen. Jeder von ihnen wandte sich mit ruhigen, respektvollen Worten an ihn, und ihre Stimmen überlagerten sich zu einem gedämpften Kanon: »Es tut mir leid, Torak.«
    »Es tut mir ganz entsetzlich leid.«
    »Ich schäme mich so sehr für mein Verhalten in dieser Angelegenheit.«
    »So schrecklich, schrecklich …«
    »Verzeiht mir. Ich bereue mein Tun aus tiefstem Herzen.«
    »Eine Entschuldigung von meiner Seite ist längst überfällig. Ich bitte ergebenst …«
    Leise, ernsthaft, wie sanfte Wellen, die ans Ufer rollen. Obwohl diese Geschöpfe lebten, kannten sie nur Worte der Unterwürfigkeit. Der Ratgeber des Herzogs schwelgte in ihrem Singsang wie ein Süchtiger, der nach einem langen, brutalen Entzug durch Zufall auf einen gewaltigen Vorrat seiner Lieblingsdroge gestoßen war.
    »Bedaure. Bedaure unendlich , edler Ratgeber.«
    »Nicht Eure Schuld, ganz und gar nicht. Ich flehe Euch um Vergebung an …«
    Als Torak daher ein Klopfen vernahm, war sein Ärger beträchtlich. Die Entschuldigungen verstummten. Alle Köpfe wandten sich der Tür zu.
    Torak erhob sich und strich seine Robe glatt. »Wer immer es wagt, mich hier zu stören, hat hoffentlich eine gute Rechtfertig…«
    »Ein Bote. Von Einheit Neunundzwanzig B. Er wartet unten.« Der Diener hatte seine Stimme mit einem fremdländischen Akzent verstellt. Seine Schritte entfernten sich hastig, ehe Torak wutentbrannt die Tür aufreißen konnte. Er tat es und rannte in den Korridor hinaus, um den Übeltäter zu erwischen, doch dem war es bereits gelungen, im Schutz der Dunkelheit zu verschwinden. »Ich habe dich genau erkannt!«, bluffte Torak. »Dreißig Peitschenhiebe! Melde dich morgen aus freien Stücken, oder die Strafe fällt noch schlimmer aus!«
    Nach dem langen Weg in die Tiefe traf er einen Boten jener Truppe an, die er auf einen sinnlosen und, wie er hoffte, todbringenden Marsch nach Südwesten geschickt hatte. (Es war die bei Weitem schlechteste Einheit des Heeres.) Der Rest der Armee war ebenfalls in allen Richtungen unterwegs, und zwar einzig und allein zu dem Zweck, das Vorrücken des Walls zu vermessen. Er kam langsam und gleichmäßig von allen Seiten näher, zwei Schritte pro Jahr, mit seltenen Abweichungen. Schloss Eisennetz befand sich genau in der Mitte des schrumpfenden Territoriums. Wenn der Wall seine derzeitige Geschwindigkeit beibehielte, würden sich Toraks Urururenkel (falls er je welche bekam, dachte er, und seine Wange zuckte nervös) um eine Lösung des Problems bemühen müssen. Falls es eine Lösung gab.
    Er hatte nicht mit einer Botschaft der Armee gerechnet. Weder in dieser Nacht noch in näherer Zukunft. Eine Brieftaube alle tausend Meilen. So lautete seine Order. Er machte ein grimmiges Gesicht und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, als er auf den Boten zuging. Der Soldat legte, wie es sich gehörte, eine gebührende Scheu an den Tag. (Aber zu seiner Verblüffung empfand Torak diesmal fast eine leise Trauer über die Reaktion des Mannes. Wäre ein freundliches »Hallo, wie geht’s?« nicht hin und wieder eine nette Abwechslung? Er notierte im Geiste, bald einmal ein Geschöpf zu erschaffen, das diese Lücke füllte.)
    Der Bote (er war nicht wirklich scheu oder ängstlich; das bildete sich Torak nur ein) keuchte noch von seinem Lauf zum Schloss. Er hatte eine Hand auf das Stiegengeländer gelegt und hielt den Kopf gesenkt. »Folgende Nachricht, werter Ratgeber, Sir «, begann er. »Fluss ruft um Hilfe. Will, dass Äste an Land gezogen werden. Grund unbekannt. Ende.«
    Torak schwieg eine ganze Weile, während er über den Sinn der Botschaft nachdachte. Der Soldat trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, kratzte sich am Kopf und fügte hinzu: »Der Sergeant meinte, es könnte sich um ein Omen Klasse Zwo handeln, Sir.«
    »Hm. Wollen wir deine Worte mal extrapolieren, wenn du gestattest. Kann es sein, dass eine Person im Fluss um Hilfe rief? Dass diese Person sich eventuell an einem Ast festklammerte und darum bat, dass er – und damit die Person selbst – an Land gezogen werde? Dein Sergeant ist dafür

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