Intrusion
schlug. (Einmal hatte er Mister Gorr mit dem Finger unabsichtlich ins Auge gestochen.) »Mittwoch«, sagte Corbert mit einem Seufzer. »Du hast die Wahl, Alfred. Ich kann mir schon denken, wofür du dich entscheiden wirst.«
Mister Gorr rieb sich das stoppelige Kinn, während er die Blicke über sein Instrumentarium schweifen ließ. In einer Ecke des Schuppens stand ein schwerer Eisenstuhl, aus dem Tausende kleiner Stacheln ragten. Gegenüber befanden sich ein Satz Fußblöcke und ein zerlegtes »Rad der Schmerzen«, das seit Jahren nicht mehr benutzt wurde, weil es Rost angesetzt hatte, und das sie nur behielten, weil es so gut zum Ambiente passte. Auf den Werkbänken lagen alle möglichen kleineren Folterutensilien wie ein Stachelgürtel, der gute, alte Brustreißer, ein paar Daumenschrauben, eine Ketzergabel und eine Ketzerzange. Sie stammten alle aus dem Mittelalter der Erde, auch wenn sie hier andere Bezeichnungen trugen. An Wandhaken und Nägeln hingen Hunderte von Sägen, Messern, Hämmern, Peitschen, Ketten, Rohrstöcken und Messingschlagringen in den grauenvollsten Ausführungen. Und es gab Elektroschockgeräte, zusammengerollte, an schwere Batterien angeschlossene Kabel. Auf eine dieser Batterien fielen Mister Gorrs Blicke, und er hievte sie stöhnend neben das Kopfende von Corberts Liege.
»Oh, du überraschst mich«, sagte Corbert. »Ich hätte gewettet, du nimmst heute die Ketten.«
»Später vielleicht«, entgegnete Mister Gorr und stellte einen großen, leeren Glaskrug unter die Liege, um Corberts in Schläuche geleitetes Blut aufzufangen.
»Der Namenlose fordert heute eine halbe Gallone mehr als sonst. Behauptet, dass er die Extraration für ein besonderes Ritual braucht, obwohl ich allmählich glaube, dass er mit dem Zeug seine Morgengrütze anrührt.«
»Eine halbe Gallone mehr!« Mister Gorr schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Hast du überhaupt noch so viel Saft in dir?«
»Oh doch«, bestätigte Corbert heiter. »Ich habe ausgiebig gefrühstückt. Der Namenlose zahlt natürlich mehr, und ich brauche das Geld dringend. Caul hat wieder mal fremdes Eigentum beschädigt. Es gilt ein paar Wachleute zu bestechen. Seine vierte Warnung, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Caul! Ein guter Junge.«
»Allem Anschein nach besitzt mein Sohn eine gewisse … Vitalität. Und, sagen wir mal, eine Menge Tatendrang.«
»Ein guter Junge«, wiederholte Mister Gorr. Er streifte Corberts Hemd nach oben und die Hose nach unten. Von Blasen und Narben übersäte Haut kam zum Vorschein. Nachdem er die Kabelklemmen an Corberts Unterlippe, Brustwarzen und Genitalien befestigt hatte, legte Mister Gorr den Batteriehebel um. Strom jagte durch die Drähte. Bläulich flackerndes Licht erhellte den Schuppen, Funken sprühten, und ein lautes Knistern übertönte Mister Gorrs fröhliches Summen. Corbert riss die Augen weit auf, die Schlagadern an Hals und Schläfen traten hervor, und aus seiner wunden Kehle löste sich ein so schriller und lang anhaltender Schrei, dass die Nachbarn sich wieder mal fragten, woher der arme Tropf nur all die Luft nahm. Und während sie die Fenster zuschlugen, wünschten sie sich und ihm, dass seine Lungen irgendwann den Dienst für immer verweigern würden.
Während ihrer Vormittagspause – Mrs. Gorr hatte ihnen Butterkekse und Limonade gebracht – erwähnte Mister Gorr beiläufig, dass in seinem Badezimmer ein Gemälde zum Leben erwacht war. Corbert, der sich mit Mythen und okkulten Dingen weit besser auskannte, als es der Kirche recht war, hob die zuckenden Augenbrauen und fragte: »Zum Leben erwacht?«
»Im Badezimmer.« Mister Gorrs Stimme klang immer noch ungläubig. »Wollte meinen Guckern kaum trauen. Steigt einfach aus dem Rahmen, dieser Junge! Sollte ein Geschenk für Putricia sein, verstehst du? Ein Bild von ihm , verstehst du? Daraus wurde natürlich nichts, nachdem er den Rahmen verlassen hatte. Malte ihr stattdessen ein Herz.«
Corbert hakte nach. »Das Gemälde war ursprünglich ein Werk dieser Frau namens Muse?«
Mister Gorr nickte. »Hab ich mitgehen lassen.« Er schnitt eine Grimasse. »Eigentlich nur ausgeborgt . Hörte, dass sie noch eine Menge anderer schöner Bilder gemalt hatte, verstehst du? Und du hattest mir geschildert, wo sie wohnt. Weißt du noch? Also dachte ich mir …«
»Ich verstehe.«
»Musste einen Vampir abwehren, drunten im Keller. Bewachte das Haus mit Fängen und Klauen. Und auch sonst raschelte so allerlei im Dunkel. Ich
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