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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Elliott
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entstanden. Wie?«
    Charms Warnung, die Umstände seiner Geburt geheim zu halten, dröhnte in seinen Ohren. »Ich wachte einfach hier auf.«
    Kevas erhob sich und marschierte auf und ab, ohne Aden aus den Augen zu lassen. »Erzähl mir von deinem Großvater!«
    »Was würden Sie gern wissen?«
    Die Antwort traf den alten Mann wie ein Magenschwinger. So lässig . War das Spott? Er zwang sich zur Ruhe. »Was ist dein Großvater?«, fragte er. »Was macht er? Wie … wie sieht sein Leben aus?«
    »Mal überlegen. Ich weiß nicht viel über die Zeit, in der er jung war. Muss wohl irgendwann bei der Post gearbeitet haben. Wollte im Zweiten Weltkrieg zur Armee, aber sie nahmen ihn nicht. Ist Ihnen vermutlich kein Begriff, dieser Zweite Weltkrieg. Jedenfalls brauchten sie damals Leute für Nachrichten und Fernmeldewesen, und so befahlen sie ihm, daheim zu bleiben und diesen Job zu machen. Meine erste Erinnerung an ihn ist, dass er mir Geschichten vorlas. Grimms Märchen , Der Kleine Hobbit und so ’n Zeug. Sagt Ihnen wahrscheinlich gar nichts.« Kevas gab ihm durch eine Geste zu verstehen, dass er fortfahren solle. »Also, er war eine Zeit lang das Musterbeispiel des netten Opas. Dann, vor ein paar Jahren, ließ sein Gedächtnis nach. Sein Zustand verschlechterte sich rapide. Der Doc meinte, das sei nicht normal, wie schnell es mit ihm bergab ging, das hätte eigentlich viel schleichender ablaufen müssen. Kann sein, dass ein kleiner Schlaganfall dazukam und alles verschlimmerte – ich weiß es nicht. Er war in den Siebzigern, als ich ihn zuletzt sah. Das liegt vielleicht ein halbes Jahr zurück. Da lebte er schon in einem Pflegeheim. Saß den ganzen Tag da, ohne sich zu rühren. Saß da und tippte aufs Geratewohl Buchstaben und Zahlen in eine Schreibmaschine. Ab und zu schaute die Schwester rein. Wenn die Seite voll war, spannte sie ihm ein neues Blatt ein, damit er brav sitzen blieb, und dann tippte er weiter. Manchmal kruschelte er auch in den Papieren herum und ordnete sie neu.«
    »Woran litt er denn?«
    »Ich weiß nicht, wie sie es nannten. Senilität, Demenz, vielleicht Alzheimer. Irgendwas in der Art.«
    »De…menz?«
    »Eine Art langsam fortschreitende Unzurechnungsfähigkeit. Im Normalfall jedenfalls langsam fortschreitend.«
    Er meint die »Schwundkrankheit«, dachte Kevas. »Was ist ein ›Pflegeheim‹?«
    »Eine Art Krankenhaus. Er saß einfach in seinem Zimmer und lächelte, während ihm Spucke aus dem Mundwinkel lief. Blieb immer stumm, ganz egal, was wir zu ihm sagten. Keine Ahnung, ob er unsere Worte hörte oder verstand. Irgendwie hatten wir das Gefühl, dass alles in ihn reinsickerte , dass ein Teil tief in seinem Innern uns hörte und auch begriff, was wir sagten. Aber vielleicht bildeten wir uns das auch nur ein.«
    Die Stimme des Priesters klang so hart wie das Holz der Kirchenbänke. »Dir ist doch klar, dass du über den Schöpfer dieser Welt sprichst, oder?«
    »Ich weiß, dass Sie ihn dafür halten. Aber gewöhnen Sie sich an die Idee, dass er dort, wo ich herkomme, kein Gott war.« Aden lachte. »Er war nichts Besonderes. Genau wie ich nichts Besonderes bin. Ein ganz normaler Mensch. Obwohl – eine Sache könnte von Interesse für Sie sein: Er schrieb über die Welt hier. Oder versuchte es zumindest. Irgendwie wusste er wohl, dass sie existierte. Ich sah ein paar Skizzen in seinen Notizblöcken. Vielleicht täusche ich mich, aber ich glaube, es war sogar eine Skizze von Ihnen dabei.«
    Kevas marschierte schneller auf und ab, und sein Humpeln verstärkte sich. »Wie bist du nur von jener Welt hierhergekommen, Aden?«
    »Ihr habt die Tür offen stehen lassen.«
    Der Priester starrte ihn entsetzt an. »Die Tür ?«
    »He, ein kleiner Scherz. Sehen Sie, ich habe es satt, immer die gleiche Frage zu hören. Stehe ich hier unter Arrest oder was? Wenn Sie es genau wissen wollen, ich schied in jener realen – jener früheren Welt, meine ich – aus dem Leben. Selbstmord. Ich hatte mir die Pulsadern aufgeschnitten. Offen gestanden, ich weiß nicht mehr, warum. Durch meine Erinnerung spuken die verschiedensten Versionen der Vergangenheit.«
    Kevas dachte an den immer wiederkehrenden Albtraum des Weltenmachers, an die unzähligen, zu Wolken verdichteten Handgelenke am Himmel, aus denen Regen fiel. Grauen erfasste ihn, und ein Dutzend mögliche Interpretationen schossen ihm durch den Kopf. Er biss sich auf den Daumen. Da war eine Sache zu klären, bevor der Junge weitersprach. Er entschuldigte sich,

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