Invasion 02 - Der Angriff
in die Schlacht drängten. Er hatte das Gefühl, jetzt zu hören, wie ihre Ladestöcke klapperten und sie ihm von den schrecklichen Dingen ins Ohr flüsterten, die ihm bevorstanden, und hüllte sich in diese Flüsterstimmen ein, als wären sie ein Panzer.
Er musterte seine schmale Front von Soldaten – die wenigen, die man in dem dicken Fichtengehölz sehen konnte – und spürte einen Anflug von Verzweiflung. Die Situation erforderte jetzt tief gestaffelte Verteidigung, Bunker und Stacheldraht, Schützengräben und Niemandsland. Doch stattdessen gab es nur eine dünne Reihe von Infanterie, in Schützenlöchern eingegraben, mit ein paar Minen und Claymores davor, die alle gegen jede Vernunft hofften, eine hundertfache Übermacht aufhalten zu können.
Das Einzige, was ihm ein wenig Hoffnung verschaffte, war die Artillerieunterstützung. Seit es für die Armee nicht mehr um den Kampf gegen Menschen, sondern gegen Posleen ging, hatte sie ihre Einstellung zur Artillerie radikal verändert. Motorisierte Infanterie würde immer noch das Gros des Heeres darstellen, aber da die Posleen nicht über Artillerie im Sinne der menschlichen Verbände verfügten – also die Fähigkeit eines Artillerieverbandes auf einen anderen zu schießen –, hieß das, dass die Divisions- und Korpsartillerie nicht gepanzert zu sein brauchte. Und damit war der M-222 »Reaver« geboren.
Der Reaver war aus einem mobilen Geschütz der südafrikanischen Armee hervorgegangen, einem dreiachsigen, geländegängigen Fahrzeug, auf das eine 155-mm-Haubitze montiert war. Der Reaver war schnell genug, mit motorisierten Einheiten Schritt zu halten, und verfügte über eine Munitionskapazität, die es ihm erlaubte, diese Einheiten wirksam zu unterstützen.
Drei volle Batterien dieser für das amerikanische Militär neuen Geschütze waren zur Unterstützung der Division in Stellung gegangen und verfügten über eine Feuerkraft, die über die von drei Divisionen des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts hinausging. Den Posleen würde es vielleicht gelingen sie zu überrennen, aber sie würden dabei massive Verluste hinnehmen müssen.
Der Captain hatte sich schon vor einer Weile vergewissert, dass er über die erforderlichen Zugangsbefugnisse im automatisierten, zentralen Artillerienetz verfügte, und so griff er jetzt in aller Ruhe nach dem Mikrofon und forderte zum ersten Mal in seinem Soldatenleben »echtes« Feuer an.
»Zentrale, Zentrale, hier Echo Drei Fünf, Feuereinsatz, Ende.«
Er wartete einen Augenblick auf Antwort. Gewöhnlich kam die Rückmeldung des neu entwickelten »Zentralen Artillerie-Zielerfassungs-, -kommando- und -kontrollsystems auf Basis künstlicher Intelligenz«, oder einfach »Central« (das Militär hatte sich dieses eine Mal dafür entschieden, kein Akronym zu entwickeln), praktisch noch bevor man das Mikrofon abschalten konnte. Zurzeit hatte es allerdings den Anschein, dass das System entweder seinen Anruf nicht bekommen hatte oder einfach überlastet war.
»Central, Central, hier Echo Drei Fünf. Feuereinsatz, Ende.«
»Echo Drei Fünf, hier Central, Feuer anfordern.«
Normal, besser. »Central, Central, Feuerkonzentration, Echo Zwei, wiederholen. Echo Zwei.«
Wieder eine Pause. An der Front steigerte sich jetzt das Feuer, aber diese Posleen schienen so etwas wie Kundschafter zu sein, und bis jetzt war noch kein Sanitäter bestellt worden. Er wartete noch einen Augenblick und rief dann erneut.
»Central, Central, hier Echo Drei Fünf. Erbitte Status Feuereinsatz, Ende.«
»Echo Drei Fünf, kein Feuereinsatzstatus, Ende.«
»Was?« , schrie er und starrte das Funkgerät in seinem Schützenloch an. Sein Funkoffizier sah sich verblüfft um.
»Was ist denn, Sir?«
»Dieser …« Dann wurde ihm bewusst, dass er in erster Linie Ruhe ausstrahlen musste. Selbst wenn die einzige Trumpfkarte, in deren Besitz er sich geglaubt hatte, jetzt allmählich aussah, als ob sie in Wirklichkeit eine Niete wäre. »Ich habe ein bisschen Probleme mit dem Artillerienetz, mir tritt da dauernd einer auf die Zehen.« Das war eine glatte Lüge, aber immer noch besser als die Wahrheit.
Er hatte bei Manövern ohne Soldaten, Kartenübungen und sonstigen Simulationen mehrmals Central benutzt, und sobald man sich einmal an die Syntax gewöhnt hatte, waren dabei nie irgendwelche Probleme aufgetreten. Das System war von einem Technologieforschungsausschuss entwickelt worden, einem Ausschuss, der als Reaktion auf die »GalTech«-Gruppe ins Leben
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