Invasion 05 - Heldentaten
Tirdals Vorsprung groß genug, um sein Ziel zu erreichen.
Er hastete mit langen Schritten quer über den Fluss, folgte einem Wildpfad südwärts, der mehr oder weniger parallel zum Fluss verlief. Er wusste, dass er deutliche Spuren hinterließ, hätte aber nicht gewusst, wie das zu vermeiden gewesen sein sollte. Das Gelände war verkarstet, und auf dieser Seite gab es einen großen Kalkfelsen, eigentlich eine Art niedrige Klippe. Er musterte sie, sah die Bäume der Umgebung an, sah auf seine deutlichen Spuren im Schlamm. Tirdal lächelte.
19
Dagger war nach Osten weitergezogen, dabei bemüht, ruhig zu bleiben und an nichts zu denken. Aber das war schwer, sogar sehr schwer. Irgendwo dort draußen war der Darhel, und das Blatt hatte sich jetzt gewendet, zum ersten Mal war der Darhel der Jäger und nicht mehr der Gejagte. Und das bedeutete natürlich, dass er ihm näher rückte. Wenn Dagger ihn sah, dann würde das zu nahe sein, um einem Schuss ausweichen zu können. Wenn Dagger ihn zuerst sah.
Und das legte seine Entscheidung auf das buckelige Gelände im Süden fest. Wenn es ihm gelang, an dem Darhel vorbeizukommen, der mit Sicherheit aus dem Osten kommen würde, wenn er es dann schaffte, das Bergland zu erreichen, ganz besonders im Südosten, würde er eine gute Chance haben, als Erster zu schießen. Wenn er sich quasi in Sprüngen bewegte, freies Gelände fand, Stellung bezog, wartete, dann wieder weiterzog, hatte er ohnehin eine gute Chance auf den ersten Schuss. Der Darhel verfügte allem Anschein nach nicht über die Fähigkeit, seine Position genau anzupeilen, er schaffte es lediglich, ein vages Gefühl für seinen ungefähren Standort zu entwickeln. Das sollte also funktionieren. Aber er musste ruhig bleiben.
Tirdal fühlte die Änderung in Daggers Verhalten. Er war irgendwo im Nordosten, und gerade als ein deutlich ausgeprägtes Gefühl der Selbstgefälligkeit durchkam, fing der Kontakt an zu verblassen, bis er überhaupt nicht mehr wahrzunehmen war. Offenbar hatte Dagger sich seine Bemerkungen hinsichtlich des Verbergens seiner Gefühle zu Herzen genommen.
Er gestattete sich eine leichte Anwandlung von Zorn und spürte das Rinnsal von Tal-Hormon, das ihn mit einem Gefühl der Leichtigkeit erfüllte. Aber selbst damit reichte die Orientierung nur für »nah/fern« aus, und der Scharfschütze war … irgendwo in der Mitte.
Offenbar tat Dagger jetzt eines von zwei Dingen. Entweder wartete er oder war dabei, einen Bogen zu schlagen, um hinter Tirdal zu kommen. Da er vorhatte, den Scharfschützen wieder in eine Falle zu locken, war es für ihn wichtig, Kontakt herzustellen und dann wieder zu brechen. Aber da jetzt sein Gefühl für den Standort des anderen am Verblassen war, würde das schwierig sein. Es konnte so weit kommen, dass er oder Dagger auf den anderen zuging und das erst im letzten Augenblick merkte!
Er drang ins Gebüsch ein, und das war genauso schlimm, wie er das gehofft hatte. Äste verkrallten sich in seinen Stiefeln, starre Grashalme zerrten an seinem Anzug, Felsbrocken jeder Größe erschwerten sein Vorankommen. Kleine Flieger huschten an ihm vorbei, und einmal sprang ein Insekt etwa von der Größe eines Stiefels vor ihm auf und versuchte sich in dem ineinander verfilzten Gras einzugraben, um Schutz zu finden. Und dann gab es da noch die Lianen mit ihrem Würgegriff, die steifen Pflanzen und die knorrigen, niedrigen Bäume. Eine unwirtliche, verlassene Landschaft und daher perfekt für seine Absichten.
Er arbeitete sich ein wenig näher an die Savanne heran, nahm Kurs nach Süden, suchte mit allen Sinnen nach jeder Andeutung einer Spur von Dagger.
Und aus diesem Grund bemerkte er die Tigerkäfer nicht.
Natürlich handelte es sich in Wirklichkeit weder um Tiger noch um Käfer. Es waren einfach zwei Meter lange Räuber, wenn auch mit kurzen Beinen, und ihre Kiefer waren so konstruiert, dass sie die zähen Panzer der lokalen Grasfresser wie Dosenöffner aufschneiden konnten; sie waren daher mehr als fähig, einen einzelnen Darhel in Stücke zu zerlegen. Im Zuge ihrer Entwicklung hatten sie gelernt, leise und unauffällig zu sein, damit ihre große Beute sie mit ihren messerscharfen Hufen nicht einfach zertrat oder sie zwischen die eigenen massiven Kiefer nahm. Ein derartiger Biss würde zwar vermutlich nicht gleich tödlich sein, aber den Räuber sicherlich kampfunfähig machen. Die unabwendbare Folge für ihn wäre der Tod durch Verhungern und zugleich die Gewähr dafür, dass
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