Invasion 06 - Callys Krieg
komplimentierte sie zu einem kleinen Tischchen, auf dem ihr Werkzeug lag. »Ich wette, du warst jeden zweiten Tag auf der Sonnenliege.«
»Ja, so ungefähr. Was meinst du, passt dieses Wassermelonenrosa zu meiner Haut oder sollte ich ein kräftigeres Rosé nehmen?«
»Mhm. Mal sehen …« Sie hielt zwei Flaschen Nagellack an Callys Hände. »Ich denke, das Wassermelonenrosa sollte passen. Wohl in verspielter Stimmung?«
»In der Stimmung, ernsthaft Spaß zu haben.« Cally grinste verschmitzt. »In der Urb bin ich mir vorgekommen wie lebendig begraben.«
»Das geht allen so«, meinte Jeannie leise. »Liebes, du hast viel zu viel Stress und du isst nicht genug.« Sie hob einen von Callys Fingern an, wo sie gerade einen Nagel zugestutzt hatte. »Schau dir diese Ränder an. Aber mich überrascht das nicht. Familie bedeutet immer Stress, und unter der Erde gibt es nach wie vor kein besonders gutes Essen. Jedenfalls nicht so gut, wie du es hier draußen kriegen kannst.«
»Das darfst du laut sagen. In den Cafeterias kriegt man keinen Krabbeneintopf wie hier.«
»Seafood ist in Ordnung, aber du musst frisches Gemüse und Salat essen, sonst alterst du vorzeitig. Und eine Menge Wasser trinken. Augenblick, bitte.« Sie verschwand hinter einer Trennwand und kam gleich wieder mit zwei Gläsern und einem Krug Eiswasser zurück. »Hier. Destilliert und re-mineralisiert. Das beste Wasser auf dieser Seite der Blue Ridge.«
Sieben Stunden später legte Cally zwei neue Outfits und ein Paar Schuhe in den Schrank, richtete sich das Haar, legte sich ein Süßwasserperlenhalsband um und zog los, auf der Suche nach etwas Ordentlichem zu essen, anständiger Musik und was immer der Abend ihr sonst noch bringen mochte. Das ist das Schöne an Städten am Strand. Selbst nach dem Postie-Krieg ist immer etwas los, zum Beispiel an der Pappas Street in der Nähe vom El Cid.
Seltsamerweise hatte die Zitadelle im Krieg nur wenige Schäden abbekommen. Charleston war völlig evakuiert worden, also hatte es aus der Sicht der Posleen nichts zu essen gegeben. Viele historische Gebäude waren ebenso wie die Battery völlig intakt geblieben, ebenso auch die jahrhundertealte Militärschule. Niemand wusste, was die Posties eigentlich in diesen weißen, mit Zinnen verzierten Gebäuden gesehen hatten – nur dass sie den Campus fast überhaupt nicht geplündert hatten und er praktisch intakt zurückerobert worden war. Vor kurzem hatte man dort den fünfunddreißigsten Jahrestag der Wiedereröffnung als Universität und Ausbildungsakademie für künftige Offiziere von Fleet Strike gefeiert. In der Nachkriegswelt garantierte einem der Abschluss dort zwar nicht, dass man einen Offiziersposten bekam, öffnete einem aber viele Türen und wurde von jungen Männern als eine Art Fahrkarte aus der beengten Welt der Urbs gesehen.
Wo es junge Männer gab, gab es Bars und Musik und niemanden, den sie töten musste. Normalerweise. Insgesamt betrachtet also genau der richtige Ort, um sich zu amüsieren.
2
Auf Old Tommy’s Pub konnte man sich immer verlassen, man bekam dort sowohl die flüssigen wie die musikalischen Importe aus Irland frisch vom Schiff. Irische Musik mit ihrer unbezähmbaren Fähigkeit, auch aus einem harten Los das Beste zu machen, erlebte gerade so etwas wie eine Wiedergeburt. Balladen und Märsche, die die Heldentaten von GKA-Rittern im Kampf gegen zentauroide Monster verherrlichten, waren vielleicht nicht im strengen Sinne traditionell, aber die modernen Minnesänger Irlands hatten ihren kulturellen Wert in einer Post-Posleen-Welt erkannt und erfüllten diese Aufgabe auf brillante Weise. Ein Bodhran, die traditionelle irische Ziegenfelltrommel, passte nicht nur auf die kleine Bühne eines Pubs, sondern lieferte auch einen überraschend guten Hintergrund für die grellen Klänge einer schon etwas angejahrten Stratocaster. Nun ja, zumindest in ein paar Stunden würde sie schrill klingen. Im Augenblick befanden sich die Instrumente noch in ihren Koffern, und die paar Typen, die da in der Ecke saßen und einen Happen zu sich nahmen, waren vermutlich die Musiker. Kadetten waren es jedenfalls nicht, ihrem Haarschnitt nach zu schließen.
Cally zog sich einen Barhocker heran und bestellte sich ein Killians und einen Meeresfrüchtesalat und verbrachte dann die nächste Stunde damit, mit dem Barkeeper zu flirten und darauf zu warten, dass die Band zu spielen begann. Kadetten tröpfelten den ganzen Abend über herein. Die meisten von ihnen sahen zu
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