Invasion 06 - Callys Krieg
ich sage, und leben. Mir ist’s egal, wofür Sie sich entscheiden.« Sie drückte der Frau dabei das Messer leicht gegen die Kehle, um ihr klar zu machen, dass sie es ernst meinte. Es gab da einen Trick, wie man das Messer genau im richtigen Winkel hielt, damit es sich scharf genug anfühlte, um die andere Person zu beeindrucken, ohne tatsächlich die Haut zu verletzen. Mit einem einigermaßen scharfen Messer, wie dem hier, war das besonders schwierig. Aber sie hatte ja genügend Übung.
»O mein Gott, mein Gott, tun Sie mir nichts. Bitte, töten Sie mich nicht. O Gott. Was wollen Sie? Ich tue alles, was Sie verlangen, bloß, bitte, bitte, bringen Sie mich nicht um.«
»Ich brauche Sie nicht umzubringen. Ich muss mir nur für kurze Zeit Ihr Apartment ausborgen.« Sie suchte in der Tasche herum, zog den Pappbehälter mit dem Wein heraus und vergewisserte sich, dass es der rot markierte war. »Trinken Sie das. Da ist natürlich ein Schlafmittel drin. Damit Sie schlafen und mir nicht im Weg sind.« Sie reichte den Karton der verängstigten Frau.
»Woher weiß ich, dass das kein Gift ist?«
»Sie wissen es nicht. Sie wissen bloß, dass Sie jetzt und sofort hier sterben werden, wenn Sie es nicht trinken, und zwar auf recht schmerzhafte und unappetitliche Art. Das ist Ihre einzige Chance. Überlegen Sie es sich, ich habe nicht viel Zeit.«
Die andere Frau fing an, den Verschluss aufzuschrauben, hielt aber plötzlich inne.
»Charles. Sie sind hinter Charles her.« Ihr Tonfall verriet ihr wachsendes Entsetzen.
»Wem?« Callys Gesicht hätte nicht verblüffter blicken können. »Man hat mir gesagt, dass Sie hier allein leben. Wird da noch jemand kommen?«, fragte sie streng und drückte mit dem Messer etwas stärker zu, achtete aber immer noch sorgsam darauf, die Haut nicht zu verletzen.
»Äh … nein«, log die Frau schnell, »Charles ist … ist meine Katze.«
»Ist ja großartig. Und ich bin allergisch. Würden Sie jetzt bitte schnell machen und das hier trinken, ehe ich Sie töten muss?«
Die Frau starrte sie an, als versuche sie, sich ihre Gesichtszüge einzuprägen, und trank dann. Cally beobachtete sie die etwa zehn Minuten, die es dauerte, bis ihre Augen glasig wurden, und legte dann das Messer weg.
»In Ihrem Bett werden Sie bequemer schlafen. Kommen Sie, ich bringe Sie hin, damit Sie sich hinlegen können.« Sie half der Frau auf, führte sie ins Schlafzimmer, wobei sie sie stützen musste, fesselte ihr dann – sanft, aber sicher – mit den Kabelbindern Hände und Füße und knebelte sie. Unter dem Einfluss des Schlafmittels würde die Frau ihr keine Schwierigkeiten machen, und bis sie die Besinnung verlor, würde es ohnehin nicht mehr lang dauern. Cally hatte bis jetzt sorgsam darauf geachtet, so wenig wie möglich in dem Apartment zu berühren, aber den Rest des Abends würde sie Gummihandschuhe tragen müssen.
Sie zog ihren PDA heraus und sah sich auf dem Bildschirm den Stadtplan mit dem blinkenden Punkt an, der den Standort des Wagens der Zielperson anzeigte. Bis jetzt war sie recht gut im Zeitplan. Bis Petane hier eintraf, würde noch eine gute Viertelstunde vergehen.
Eigentlich war gar nicht sonderlich viel zu tun, um sich auf ihn vorzubereiten. Einer der Küchenstühle würde für die Befragung ausreichen. Sie stellte ihn hinter die Tür, wo er ihn nicht sehen konnte und deshalb beim Hereinkommen auch nicht erschrecken würde. Angewidert
rümpfte sie die Nase über das nicht geleerte Katzenklo, dessen Geruch eine große Schale mit Äpfeln nicht ganz überdecken konnte, und ging dann ins Wohnzimmer zurück, um den gebrauchten Pappbecher in der Aktentasche zu verstauen. Es hatte ja wirklich keinen Sinn, irgendwelche DNA von dritten so offen herumliegen zu lassen.
Sie holte die Strumpfhosen aus ihren Verpackungen und schnitt die Beine auseinander. Die waren nicht so einfach und schnell zu benutzen wie die Kabelbinder, aber vermutlich würde die Zielperson zunächst gegen die Fesseln ankämpfen, und wenn man die Strumpfhosen richtig knotete, würden sie keine Spuren hinterlassen. Sie zog ihre Jacke aus und stopfte sich die Strumpfhosen in die Taschen. Dann war nichts mehr zu tun – außer zu warten. Sie hatte gründlich darüber nachgedacht, wie sie ihn erledigen wollte. Einerseits wollte sie mit den Chemikalien, die man bei der Autopsie in seinem Blutkreislauf finden würde, besonders vorsichtig sein. Andererseits war er ein gutes Stück schwerer als sie und auch größer, das durfte sie
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