Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
sich g efangen. Der Baron schüttelte den Kopf.
„Es hieß, ich sei noch zu klein.“
„Das war wohl eine Notlüge, und Ihre Tante...“
„Deine Mutter“, sagte Benno, und seine Stimme klang rau.
„Meine Mutter? Die war doch hier geblieben, auf dem Schloss.“
Benno sah ihm an, dass eine Welt für ihn zusammenbrach.
„Ich nehme auch an, Ihre angebliche Tante war Ihre leibliche Mutter“, übernahm Lehrmann wieder. „Die ganze Geschichte war so kompliziert und gipfelte in einem solchen... ach, ich weiß nicht, wie ich das nennen soll, jedenfalls wundert mich bis heute, dass alles so geräuschlos versandete und bis heute folgenlos geblieben ist.“
„Und wenn wir heute angemessen handeln, dann wird das auch so bleiben“, sagte Maurice leise und ungewohnt zahm. „Sie dürfen sich jetzt nicht...“
„Was ist damals passiert?“, fiel ihm der Baron ins Wort und richtete dabei seine Aufmerksamkeit ganz auf Lehrmann. Der schaute ihn lange nachdenklich an, schaute zu Maurice, der nachdrücklich den Kopf schüttelte. Lehrmann holte tief Luft und seufzte.
„Ihr Vater war ein Überläufer. Zumindest dachten wir das d amals.“
„Oh, bitte nicht“, sagte Maurice und klang resignierend.
„Er war kurz nach dem Krieg über die grüne Grenze zurück in seine eigene Heimat und hatte seine Frau zurückgelassen“, fuhr Lehrmann fort, ohne ihn zu beachten. „Die Baronin nahm ihm das sehr übel. Sie wusste auch von seiner Freundin im Westen, Ihrer Mutter, und so war es nicht schwer für uns, sie zu überreden, mit ihm ein Treffen zu vereinbaren. Sie schrieb ihm, sie wolle jetzt auch in den Westen, der Familienbesitz sei ohnehin verloren. Wir...“
„Wer ist wir?“, fragte der Baron leise.
„Die Gruppe, die Dienst hatte in jener Nacht. Wir stellten ihm eine Falle. Als Treffpunkt der beiden war der kleine Waldteich vereinbart, der vor der Grenzziehung zum Schlosspark gehörte. Die Baronin wartete jedoch nicht dort auf ihn, sondern auf unserer Seite. Sie sollte ihn zu sich winken, so dass wir ihn bequem hätten festnehmen können und auch noch Grenzverletzung als Grund gehabt hätten. Aber er wusste genau, wo die Grenze verlief, obwohl es damals noch keine Sperranlagen gab.“
„Also begingen Sie die Grenzverletzung und überfielen ihn drüben auf westlicher Seite“, stel lte Benno fest.
Lehrmann senkte den Blick.
„Der Geheimgang war damals noch nicht vermauert, er endete gut getarnt in der Nähe des Teiches. Ich bekam den Auftrag, mit zwei Kameraden auf feindliches Gebiet vorzustoßen.“
„Welche Funktion hatten Sie?“, bohrte der Baron. Er wirkte jetzt ganz gefasst und in der O ffensive – ein Anwalt seines Vaters, der die Wahrheit herausfinden wollte.
„Ich war ein einfacher Grenzsoldat, der andere auch, der dri tte Mann war ein Unteroffizier. Wir rechneten nicht damit, dass Hermanns bewaffnet wäre.“
„Aber er hatte das Messer“, stellte Benno fest. Lehrmann nic kte.
„Und nicht nur das. Die Baronin warnte ihn. Sie muss es sich im letzten Augenblick anders überlegt haben, riss sich los von den anderen Kameraden auf unserer Seite, rannte ihm entg egen und schrie ihm zu, er solle so weit wie möglich auf westliches Gebiet zurück. Er aber lief ihr entgegen.“
„Dann haben Sie alle beide...?“
„Nein. Wir erwischten ihn, bevor er die Lichtung erreichte, und auf der anderen Seite setzten die Kameraden die Baronin fest. Wir fanden es sicherer, ihn durch den Geheimgang nach drüben zu holen als über die offene Lichtung, aber beim Teich zog er plötzlich das Messer. Der Angriff kam so unerwartet.“
„Hat er jemanden verletzt?“
Lehrmann schnaufte und nickte.
„Uns alle drei. Er wollte sich den Weg frei stechen. Meine Kameraden kamen mit kleineren Schnitten davon, aber mir rammte er das Me sser von oben in die Kniescheibe, stocherte tief ins Gelenk und zerschnitt mir alle Sehnen. Mir war im selben Augenblick klar, dass mich das zum Krüppel machte für den Rest meines Lebens. Ich war jung und sportlich damals, das war wie... ach, genausogut hätte er mich umbringen können.“
„Also brachten Sie ihn um?“
„Nicht absichtlich. Erst mal schlugen wir ihm das Messer aus der Hand und machten ihn kampfunfähig. Das Messer fiel irgendwo im Niemandsland beim Teich auf den Boden. Ich habe es später gesucht, aber in dem Gestrüpp war es nicht mehr zu finden. Die beiden anderen schleppten ihn durch den Geheimgang zum Schloss. Ich humpelte hinterher und begriff, dass es vorbei war
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