Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
kürzeste Weg, und deshalb werden wir hier mittelfristig bei Bedarf eine zusätzliche Einlassstelle einrichten.“
Sie gelangten in einen winkelförmigen Treppenaufgang, schwach von Tageslicht erhellt, das durch schießschartenähnliche Schlitze hereinfiel.
„Kennen Sie eigentlich sämtliche Gänge und Räume der Anlage?“, fragte Benno.
„Schwer zu sagen. Aber ich denke schon.“
„Ich bin heute den halben Nachmittag durch die Burg geirrt.“
„Glaub ich Ihnen gern.“
„Ich war auch in einem Kellergewölbe.“
„Davon gibt es hier mehrere.“
„Dort unten habe ich einen der Arbeiter getroffen.“
„Ach ja?“
„Der Mann war etwas merkwürdig. Sagte, er müsse graben, aber Werkzeug hatte er nicht d abei.“
„Das muss wohl Herr Müller veranlasst haben. Ich weiß nichts d avon.“
Benno fiel etwas auf. Im Halbdunkel, so ernst und konze ntriert, sah der Baron dem Mann aus dem Keller verblüffend ähnlich. Würde er sich die Haare mit Gel zurückkämmen...
„Haben die Gespenster der vier Ereignisräume eigentlich i rgendeinen Bezug zu Vorfällen in der Geschichte der Burg?“
„Sie meinen mittelalterliche Meucheleien? Morde, Hinrichtu ngen und dergleichen?“
Benno nickte.
„Nein“, antwortete der Baron knapp. „Wir haben klassische Standard-Gespenster hergenommen, ihnen Durchschnittsgesichter meiner Ahnen verpasst und uns die passende Show dazu ausgedacht. Alles ist reine Fantasie.“
Der Treppenaufgang mündete in einen Torbogen.
„Jetzt sind wir auf Höhe der Hauptburg“, erklärte der Baron und schloss das Tor auf.
„Sind hier alle Türen ständig versperrt?“
„Nur die zu den Ereignisräumen. Maurice hat Angst vor Spionen.“
„Mir traut er auch nicht besonders.“
Der Baron sah ihn herausfordernd an.
„Beweisen Sie ihm das Gegenteil.“
„Das habe ich vor.“
Der Gang knickte ab, und auf einmal standen sie vor der Tür, an der sich Stunden zuvor die Szene mit Maurice abgespielt hatte. Benno war nun vollends verwirrt, denn er konnte nicht mehr nachvollziehen, auf welchem Weg er mit Maurice hierher geraten war. Und er fragte sich, ob er von hier aus den Keller wieder finden würde. Der Baron schloss die Tür auf und ließ ihn eintreten. Was er sah, versetzte Benno in wohlig-schaurige Verzückung.
„Hier spukt der kopflose Ritter“, verkündete der Baron, indem er ein paar Schritte in den weitläufigen Saal trat und die A rme ausbreitete.
„Warum gerade hier?“, fragte Benno und folgte ihm.
Der Raum war relativ schmal, aber streckte sich schier endlos in die Länge. Nacktes Mauerwerk umfasste eine lange Eichenholztafel mit geschätzt 30 thronartigen Stühlen. An den Wänden prangten, etwas über Kopfhöhe, eiserne Fackelhalter.
„Das ist der Rittersaal.“
„Hab ich mir schon gedacht. Das Problem ist nur...“
Benno deutete auf die von gotischen Spitzbögen eingefassten Fenster, durch die jetzt am sp äten Nachmittag rotgolden die Sonne hereinstrahlte. Im hellen Licht wirbelten hauchzarte Staubwolken vom Boden in die Höhe wie Morgennebel über einem Moorsee.
„...bei Tageslicht ist alles nur halb so gruselig.“
„Kein Problem. Bei dieser Show wird geklotzt, nicht gekleckert.“
„Aha. Und was heißt das?“
„Kleinen Moment bitte. Schauen Sie sich inzwischen alles an.“
Der Baron drehte sich um, verließ den Saal und schloss von a ußen die Tür. Benno lauschte ihm hinterher, hörte nichts, zuckte mit den Schultern und ging ein paar Schritte tiefer in den Saal hinein. Mal zählen, wie viele Schritte es brauchte, die Tafel zu umrunden.
Bei zehn, elf, zwölf fiel ihm der Briefumschlag in seiner T asche ein. Cora. Sie saß gerade im Taxi nach Hause und fragte sich, was schief gegangen war. Er tastete in seiner Jackett-Innentasche nach dem Umschlag, zog ihn hervor und betrachtete ihn. Verklebt und unbeschriftet.
Es würde wohl ein paar Minuten dauern, bis der B aron seine 3-D-Projektoren angeworfen haben würde, die Lautsprecher, Infraschallgeräte und was sonst noch zur Show gehörte.
Benno riss den Umschlag auf. Es steckte ein Foto darin, sonst nichts. Das kleinformatige Bild zeigte eine junge Frau mit nachdenklichem Blick, dunkelhaarig war sie und ein wenig pu mmelig. Erst auf den zweiten Blick erkannte Benno, dass es Cora war, die blondgefärbte, schlanke, inzwischen etwas verlebte, durchaus nicht nachdenkliche, sondern, gemäß Pegel, entweder heitere oder missmutige Cora.
Warum hatte sie ihm dieses Bild gegeben? Vermutlich das
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