Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
einzige, das sie bei sich gehabt hatte – aber warum hatte sie es überhaupt bei sich gehabt? Das Bild fasz inierte Benno ebenso wie es ihn verstörte. Das war nicht die Cora, die er kannte. Eher beiläufig drehte er es um. Auf der Rückseite standen ein paar Zahlen. Vermutlich ihre Telefonnummer. Sie war auf dem Weg nach Hause. Und hatte, wie ihm erst jetzt wieder einfiel, die Autoschlüssel mitgenommen. Sie hatte doch wohl nicht...
Entschlossen ging er um die Tafel herum zu einem der Fenster. Wie erwartet, war von diesem Blickwinkel aus der Parkplatz zu sehen. Der Mercedes stand nicht mehr dort, wo er ihn am Morgen abgestellt hatte.
„Verdammt, Cora!“
Er schüttelte den Kopf. Sie schien halbwegs nüchtern gewesen zu sein. Aber das schien sie ja immer. Sie hatte den ganzen Tag in der Pension auf ihn gewartet.
„Ich hasse es, allein gelassen zu werden“, hatte sie ihn gemahnt und es durch Wiederholung verstärkt.
Er überlegte, was er tun konnte. Selbst wenn er ein Auto zur Verfügung gehabt hätte, war ihr Vorsprung uneinholbar. Ein A utotelefon hatte sie nicht. Aber vielleicht war sie noch gar nicht unterwegs – vielleicht wollte sie ihn nur erschrecken, war zur Pension gefahren, wartete dort auf ihn oder war noch beim Packen.
Entschlossen wandte er sich vom Fenster ab in Richtung Tür.
Der Weg dorthin aber war versperrt. Grauer Rauch zog in Kopfhöhe durch den Saal, und darunter prasselte ein Flammenmeer. Die Tafel, die Stühle, selbst die Wände, alles schien lichterloh zu brennen. Lautlos, geruchsfrei. Virtuell.
Die Show hatte begonnen.
Doch diese Show blieb weder lautlos noch geruchsfrei. Durch Düsen wurde in kleinen Dosen echter Rauch in den Raum geblasen, gerade so viel, dass der Gestank zusammen mit dem A nblick des Feuers Panik auslöste. Heiße Luft strömte über den Boden. Aus erstem leisem Knistern der Flammen wurde Prasseln und Lodern. Gewaltige Explosionen ertönten aus versteckten Lautsprechern. Es donnerte und krachte, als würde ringsum das gesamte Gemäuer einstürzen, und durch das Inferno tobten kreischende Feuerteufel und wie Raubtiere brüllende Dämonen.
Benno ging während der Show im Raum umher und war beeindruckt. Egal, wo man stand, man hatte das Gefühl, mitten in der Fla mmenhölle zu stecken und von teuflischen Gestalten belauert und angesprungen zu werden. Das Adrenalin strömte – aber tief drin blieb Benno unberührt. Während das Geistermädchen ihn im Innersten aufgewühlt und unentrinnbar wie ein realer Alptraum gewirkt hatte, bot der Rittersaal die reine Action ohne Tiefgang.
Die Flammen waren kaum niedergebrannt, der virtuelle Rauch hatte sich soeben verzogen, da kam der Baron zurück und strahlte.
„Diese Show ist mein persönlicher Favorit. Was sagen Sie?“
Benno senkte anerkennend die Mundwinkel und deutete mit den Händen ein Schlottern an.
„Unglaublich echt. Aber es gab gar keinen kopflosen Ritter.“
„Ja, ich hab das Intro übersprungen, um Sie zu überraschen. Normalerweise läuft die Show so, dass eine Geisterstimme die Sage vom kopflosen Ritter vorträgt: Sein Erscheinen verkü ndet den Untergang des Schlosses und so weiter. Daraufhin tritt er durch die Wand, schwebt durch den Saal, und die ersten Flammen züngeln aus den Stühlen.“
„Das Feuer war wirklich unglaublich echt. Ich muss sagen, ich hab noch nie gehört, dass rau mfüllende Projektionen in dieser Komplexität technisch machbar sind.“
„Das verdanken wir Herrn Müller. Er hat bei einer Software-Firma gearbeitet, bevor er zu uns kam. Er ist ein absoluter Experte in Sachen Programmierung.“
„Dann verstehe ich aber nicht...“
„Was?“
„Na ja, solche Leute werden doch weltweit gesucht.“
„Und da verschwendet er sein Talent an einen kleinen Gruse lpark?“
„So drastisch wollte ich das jetzt nicht ausdrücken, aber ja, ein bisschen unverständlich ist das schon.“
Der Baron schüttelte den Kopf und lächelte.
„Ist es gar nicht. Hier kann er viel kreativer arbeiten und zudem eigenverantwortlich. Die 3-D-Projektionen hier sind sein P atent, und er setzt darauf, das Know-how über den Park hinaus einsetzen zu können, wenn hier alles gut läuft. Außerdem war er schon immer ein Grusel-Freak.“
„Aber die Existenz von Geistern bestreitet er.“
„Das tu ich auch. Aber trotzdem finde ich Geistergeschichten faszinierend. Es sind Märchen, die unsere Fantasie anregen, uns läutern und reinigen.“
Benno nickte und lächelte versonnen.
„Wissen Sie
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