Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
nicht mehr.“
Ein Schatten von ängstlicher Unsicherheit huschte über das Gesicht seines Gegners, und Benno freute sich so sehr darüber, dass er sein Pokerface für eine Sekunde nicht unter Kontrolle hatte und sich einen Anflug von Triumph durchgehen ließ. Maurice sah das und wurde grimmig bis zur Aggressivität, er ballte sogar die Fäuste.
„Also, jetzt reicht es mir mit Ihren Hirngespinsten. Holen Sie Ihren Krempel, und dann raus hier!“
„Wie Sie möchten.“
Benno drehte sich um und ging voraus. Auf dem Weg durch die Gänge wich sein Hochgefühl schleichender Angst. Ihm wurde klar, dass er sich in Gefahr geredet hatte. Sollte Maurice mehr Grund haben zu fürchten, was er angeblich wusste, als es wissen zu wollen, dann hätte er be sser den Mund gehalten.
Indes: So leicht wie gestern Nacht würde er es nicht mehr haben, ihm e twas anzutun und ihn verschwinden zu lassen. Der Burghof war bevölkert von Arbeitern – im Falle eines Falles würde niemand bezeugen können, gesehen zu haben, dass ein gewisser Benno Zenn die Anlage verlassen hatte und abgereist war.
„Sie haben fünf Minuten, Ihren Scheißdreck zusammenzupacken“, bellte Maurice, als sie Bennos finstere Kammer erreichten.
„Ich brauche nicht mal eine Minute.“
„Um so besser. Wenn Sie fertig sind, warten Sie hier.“
Maurice drehte sich um, ging den Gang zurück und verschwand um die Ecke. Jetzt bekam Benno echte Angst.
„Sie können ruhig hierbleiben“, rief er Maurice hinterher.
Keine Antwort.
Was nun?
Benno beschloss, seinen Kram zusammenzuraffen und dann nichts wie raus hier, bevor der Kerl sich geholt haben würde, weswegen auch immer er verschwunden war. Vielleicht ein Messer. Oder etwas, um ihn zu betäuben. Vielleicht gab es hier irgendwo noch Foltergeräte. Und wenn Benno nicht freiwillig mit dem herausrückte, was er behauptet hatte zu wissen, würde Maurice ihn...
„Aber, aber.“
Benno fuhr herum. Er hatte im Dämmerlicht der Kammer die Pritsche nach den Streichhölzern abgetastet, um die dunklen Ecken ausleuchten zu können. Im Türrahmen stand nun Maurice als Schattenriss vor dem Funzellicht der Kinolämpchen im Gang und hielt etwas in die Höhe, das aussah wie eine Keule. Benno erstarrte, sein Herz begann zu rasen.
Auf einmal traf ihn ein greller Lichtstrahl im Gesicht. Die Keule war eine wuchtige Stabt aschenlampe.
„Sie wollen doch nicht im Dunkeln hier herumkrabbeln“, sagte Maurice freundlich und hielt ihm die Taschenlampe hin, jetzt ohne ihn dabei zu blenden. Benno ging auf ihn zu und griff d anach.
„Da haben wir ja das Notebook.“
Maurice hob es vom Boden auf und trat damit hinaus auf den Flur.
„Wollen mal sehen“, hörte Benno ihn sagen.
Während er mit Hilfe der Taschenlampe seine Sachen einsammelte und in seiner Reisetasche verstaute, sah er bei gelegentlichen Blicken nach draußen, dass Maurice das Notebook aufklappte und es einschaltete.
„Fährt ohne Probleme hoch“, kommentierte Maurice. „Hat eigen tlich nur ein paar Schrammen abbekommen. Diese Dinger halten viel mehr aus als man denkt.“
Er klang so wohlwollend – Benno musste sich mit Gewalt an den giftigen Ton erinnern, den er vor wenigen Minuten noch ang eschlagen hatte.
„Schauen Sie doch mal, Herr Zenn.“
Herr Zenn? Benno meinte, nicht richtig zu hören. Und stellte zugleich fest, dass der freundliche Ton ihm guttat. Dieser Maurice, so hassenswert er sich bisher gegeben hatte, konnte charmant und einnehmend sein, wenn man ihn von seiner angenehmen Seite kennenlernte. Und das wirkte, auch wenn der Verstand den Schwindel durchschaute.
„Was denn?“, fragte Benno widerwillig, löschte die Taschenla mpe und ging auf den Flur.
„Sie haben ja doch schon mit der Pressemappe angefangen“, sa gte Maurice und hielt ihm den Bildschirm mit der geöffneten Word-Datei entgegen. „Keine Angst, ich hab nicht geschnüffelt – die Datei wurde beim Hochfahren geöffnet. Wahrscheinlich hatten Sie das Notebook nicht abgemeldet, sondern es laufen lassen, bis der Akku nachließ.“
„Kann sein, tut mir leid.“
„Kein Problem. Ist übrigens gut, was Sie da verfasst haben. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich das mal kurz überfliege.“
Maurice las die zwei Seiten, die Benno am Nachmittag zuvor g eschrieben hatte.
„Was soll das?“
„Was?“
„Dieses überfreundliche Getue ganz plötzlich.“
Maurice ließ das Notebook sinken und sah ihn mit einem derart offenen Blick an, dass Benno es nicht fassen konnte.
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