Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
es herum und sah sein instinktives Erkennen bestätigt.
Maurice und der Baron hatten aufgehört zu reden und starrten ihn an.
„Wer ist das?“, fragte Benno, und sein Hals fühlte sich rau an beim Reden.
„Mein Vater“, antwortete der Baron. „Bis zur Enteignung 1945 war er hier der Schlossherr.“
„Bis 1945?“, fragte Benno ungläubig. „Aber, wie, wo... ist er jetzt auch wieder hier?“
„Aber nein, das Foto ist aus den 50er Jahren. Mein Vater ist schon lange tot.“
Benno hörte es und hatte das Gefühl, sein Kreislauf sei am Kollabieren. Der Mann auf dem Foto – es war ganz ohne Zweifel der vermeintliche Arbeiter, den er im Keller getroffen hatte. Und er war dort unten, bei ihrer Begegnung, keinen Tag älter gewesen als auf der über 50 Jahre alten Fotografie.
Kapitel 9
„Mir gefällt das nicht. Komm nach Hause!“
Benno musste lächeln. Cora hatte ihn per SMS bis ins letzte Detail ausgefragt und schließlich entschieden, dass es Zeit für ihn sei, nun endlich dieses Gruselpark-Irrenhaus zu verlassen.
Sie entwickelte im Laufe ihrer elektronischen Dialoge eine ganz eigene Persönlichkeit, die ein anderes Bild vermittelte als es ihm aus dem unmittelbaren Umgang mit ihr bekannt war. Be nno hatte das Gefühl, dass er sich erst jetzt richtig in sie verliebte, unabhängig von ihrem Äußeren, unabhängig von Sex – ganz tief drin von Seele zu Seele, und das gewachsen durch die ganz und gar seelenlose Tipperei und das Lesen elektronisch erzeugter Buchstaben auf dem winzigen Handy-Display.
Er hatte selbst nicht aufgehört darüber nachzudenken, ob es vielleicht besser sei, hier zu ve rschwinden. Eine Lebensaufgabe war es ohnehin nicht, Werbung für einen Freizeitpark zu machen – dafür war er zu sehr Reporter.
Außerdem fühlte er sich hier nicht mehr wohl. Der Baron hatte sein Okay gegeben, ihn die Pressemappe fertigstellen zu lassen, aber die freun dschaftliche Vertrautheit war kaputt. Ihm war nach Aufbruch – nur Coras imperative Kurznachrichten veranlassten ihn, wenn auch schmunzelnd und spielerisch, zu Widerspruch.
„Jetzt wird es doch erst richtig spannend“, schrieb er zurück. „Vielleicht komme ich doch noch zu meiner exklusiven Geiste rgeschichte in der Weltpresse.“
Während der Pausen zwischen Senden und dem „Pling“ der Antwort arbeitete er an der Pre ssemappe. Es war kurz vor Mitternacht, und er hockte auf seiner Pritsche, den Tisch herangezogen, das Notebook vor sich und eine Decke um die Schultern geschlungen. Am Nachmittag hatte er die anderen beiden Ereignisräume besichtigt, geführt und bis ins letzte Detail informiert von einem entzückend freundlichen Maurice.
Theater mit Wirkung. Er konnte es nicht ändern, der Kerl war ihm sympathisch geworden – so verflixt vertrauenswürdig, dass er nicht mal davor zurückschreckte, wieder in der stroml osen kalten Kammer zu übernachten, die er eigentlich nie mehr hatte betreten wollen. Seine Arbeit hatte er zuvor schon respektiert, seinen Einsatzwillen, seine Kompromisslosigkeit. Er züchtete Kampfhunde. Klang irgendwie brutalomäßig, aber andererseits, ein Mensch, der sich mit Tieren beschäftigte...
„Pling.“
„Vielleicht spukst Du bald selbst als Geist durch die Burg.“
Antwort:
„Dann werde ich um Dich herum schweben, Dir die Story einflüstern, und Du kommst damit groß raus.“
Senden.
Bald haben wir Teenager-Niveau erreicht, dachte sich Benno. Fehlte nur noch das Doppelpunkt-Strich-Klammerzu-Grinsegesicht.
Da war noch etwas: Die Faszination der Macht. Inzwischen glaubte Benno, dass nicht der B aron, sondern Maurice bei dem Projekt den Ton angab, aber er tat es auf eine Weise, die den Baron überzeugt sein ließ, alle Befehlsgewalt liege der Rangverteilung gemäß bei ihm selbst. Maurice spielte seine Macht so subtil und zugleich zwingend aus, wie es nur einer konnte, der ein ganz anderes, ein höheres Ziel verfolgte, und von ganz anderen, von höheren Rängen dazu ermächtigt worden war. Benno wollte unbedingt mehr darüber wissen. Er konnte sich nicht damit abfinden, die Ahnung eines faszinierenden Geheimnisses erhascht zu haben, ohne es lösen zu können.
„Pling.“
„Wie erkenne ich, dass Du es bist, der flüstert?“
„Du kaufst Dir ein neues Handy und gibst niemandem die Nummer. Trifft eine Nachricht ein, muss sie von mir gekommen sein.“
Senden.
„Ereignisraum 1: Freunde subtilen Horrors und unterschwelligen Gruselns kommen in unserer Feenwelt auf ihre Kosten.“
Von wegen
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