Invasion aus dem Jenseits (German Edition)
Er hatte einen komplett anderen Menschen vor sich.
„Ich will Ihnen mal was sagen, Herr Zenn. Ich kann sehr abwe isend sein, wenn ich das Gefühl habe, jemand will mich übers Ohr hauen. Aber wenn ich feststelle, dass ich diesen Jemand falsch eingeschätzt habe, dann bin ich sofort bereit, meinen Fehler zuzugeben und mich zu ändern.“
Benno lachte. Er wollte es nicht, aber konnte gar nicht a nders. Und es war nicht mal ironisch, es war ein Lachen der Erleichterung.
„Und das hat nicht zufällig...“
„Was?“, fragte Maurice sanft und lächelte ihn an. Benno rieb sich die Augen.
„...hat nicht zufällig mit diesem Mann zu tun, den ich im Ke ller beim Graben gesehen habe?“
„Nein, denn diese Geschichte glaube ich Ihnen immer noch nicht so recht.“
„Womit dann?“
„Hiermit.“
Maurice hob das Notebook in die Höhe und präsentierte es Benno mit ausgestreckten flachen Händen.
„Jeder andere in Ihrer Situation hätte versucht, zu vert uschen, was passiert ist. Sie aber gehen in die Offensive und gestehen einen Schaden ein, der nicht mal vorliegt.“
„Hä?“
„Das Notebook ist in Ordnung. Wenn Sie nicht so voreilig gewesen wären mit Ihrer Ehrlichkeit, hätten Sie Ihren Job gar nicht verloren.“
„Das glauben Sie doch selbst nicht!“
„Wissen Sie was? Ich gehe jetzt sofort zum Baron und zeige ihm das Gerät und Ihre bisherige Arbeit. Sie sollen sehen, dass ich auch in positiver Hinsicht sehr konsequent sein kann. Bitte warten Sie hier.“
„Ne, also hier warte ich bestimmt nicht. Vielleicht darf ich ja bei Ihrer Fürbitte für mich z ugegen sein?“
„Wenn Sie möchten.“
„Also, was ist hier los!“
Der Baron hatte so finster gestarrt, dass es Benno schon feindselig vorkam, als er zusammen mit Maurice in das Büro eingetreten war. Als Maurice geradeheraus damit angefangen hatte, dass er Benno gerne als Mitarbeiter behalten möchte, war der Baron aufgestanden und um den Schreibtisch herumgestampft.
„Hier.“
Maurice hielt ihm das aufgeklappt Notebook hin.
„Und?“
„Herr Zenn, bitte...“
Maurice machte eine einladende Geste, und Benno brachte vor, was sie unterwegs einstudiert hatten: dass ihm alles sehr leid tue, dass er die Gegebenheiten falsch eingeschätzt habe und nicht mit der nötigen Dringlichkeit an die Arbeit gegangen sei, und, zähneknirschend, dass er Herrn Müller leider in se iner leitenden Funktion nicht hinreichend anerkannt habe – aber dass sich nun alles ändern werde.
Es war ihm ernst damit. Seine Schluderei tat ihm wirklich leid. Und er war wirklich so en tschlossen wie nie, sich endlich am Riemen zu reißen. Was dieser Maurice hier abzog, war alarmierend. Es bedeutete, dass er Benno mit seinem vermeintlichen Insiderwissen über grabende Unbekannte nicht ins Nirgendwo entwischen lassen, sondern im Auge haben wollte, dass er vielleicht mehr denn je plante, ihn zu beseitigen, und ihn dafür nicht erst wieder aufspüren wollte, dass er ihm keine Gelegenheit geben wollte zu plaudern – aber, verdammt, er brauchte den Job!
„Das ist ja alles schön und gut“, sagte der Baron, deutlich ruhiger geworden, und schlenderte um den Schreibtisch herum zurück zu seinem Platz. Mit hochgezogenen Brauen nahm er Ma urice ins Visier. „Aber trotzdem würde ich gern wissen, warum Sie sich plötzlich so für Herrn Zenn einsetzen. Ich hätte ihn nie gefeuert, wenn Sie heute Früh nicht...“
„Ich weiß, ich weiß“, setzte Maurice ein, und der Baron ließ es sich gefallen, abgewürgt zu werden. „Aber ich habe mich eben getäuscht. Es ist doch so...“
Er argumentierte wie ein schmieriger Rechtsanwalt zur Verteidigung seines eindeutig schuldigen Mandanten. Benno fragte sich, ob alles nur Show war, ob die beiden sich per Handy abgestimmt hatten, als Maurice die Taschenlampe geholt hatte, oder ob der Baron genauso ahnungslos über Maurices wahre Absichten war wie er selbst.
Ihm fiel auf, dass sich im Büro etwas geändert hatte. Der Baron hatte unterdessen Bilder au fgehängt und diversen Zimmerschmuck wie Pflanzen und kleine Metallkunstwerke auf Schreibtisch und Schränken platziert. Auf einem Beistelltischchen neben dem Arbeitsbereich stand ein gerahmtes Schwarz-Weiß-Foto eines Mannes mit streng zurückgekämmten dunklen Haaren. Benno sah es aus seiner Position nur halb, aber der Anblick versetzte ihm einen Stromschlag. Er hörte Maurice reden, verstand plötzlich aber nicht mehr, was er sagte.
Das Foto!
Benno ging zum Beistelltischchen, drehte
Weitere Kostenlose Bücher