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Invasion aus dem Jenseits (German Edition)

Invasion aus dem Jenseits (German Edition)

Titel: Invasion aus dem Jenseits (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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Ereignisraum – ein Höhlensystem war es, was er da heute mit Maurice betreten hatte. Diese Anlage hier gab ihm immer wieder neue Rätsel auf. Von einem Gebäudeteil des Schlosses aus, der von Bauart und Verfallsgrad einer älteren Epoche anzugehören schien als der Rest, waren sie durch eine Art Geheimtür und über 144 flach in den Stein gehauene Stufen tief in den Berg hinabgestiegen, auf dem das Schloss ruhte.
    Maurice hatte ihm ohne jeden Hokuspokus nacheinander die einzelnen Geisterwesen vorg eführt, die dort unten anzutreffen waren. Auf einem Steinbänkchen neben einem plätschernden Brunnen in einer Nebengrotte saß da zum Beispiel eine bleiche schöne Fee und weinte leise. Der Brunnen war ein natürliches Becken im Fels, der von innen heraus sanft beleuchtet wurde und von Trockeneinsnebel umwabert werden konnte. Kabel und Anschlüsse, überhaupt die ganze Technik und Stromversorgung da unten waren so raffiniert in den Fels gebaut, dass man nicht dahinter kam, wie es gemacht war und es auch gar nicht wissen wollte.
    Der Anblick der weinenden Fee war rührend und mitleiderregend, er nahm völlig für sich ein, und das Bedürfnis wurde übermäc htig, sich neben sie zu setzen und sie zu trösten. Kam man ihr aber zu nahe, sah sie auf, sah einem direkt ins Gesicht, man erkannte ihr vermeintliches Weinen als fieses, lauerndes Kichern, ihr Gesicht war das eines wölfischen Dämons, und aus dem Sitzen heraus sprang das weiße Scheusal dem Betrachter gegen die Brust und löste sich dabei in einer klebrig zu Boden triefenden Nebelwolke auf.
    Die Verwandlung von Weinen in Kichern, von Fee in Dämon war eigentlich keine – die Animation war ein perfektes Vexie rspiel. Schon die Fee hatte bei aller Anmut eine Aura von Raubtier, und der höllische Dämon war noch erfüllt vom Zauber des Lichtwesens.
    Benno lehnte sich zurück und kratzte sich am Kopf. Das Erle bnis war unmöglich in Worte zu fassen, die nur neugierig machten, ohne zu viel zu verraten. Es nur anzudeuten, klang schon nach Übertreibung, und beließ man es bei bloßen Schlagworten wie Feenwelt und Zaubergrotte, stufte man das virtuelle Kunstwerk herab zum Kitsch.
    „Pling!“
    „Gute Nacht, Benno. Du solltest jetzt auch ins Bett gehen.“
    Er fragte sich, wie es geklungen haben würde, hätte sie ihm die Nachtgrüße durchgesagt statt sie schriftlich zu übermi tteln. Kurz vor dem Schlafengehen war meist der einzige Moment des Tages, an dem man ihr den Pegel anhörte. In allen drei Nächten, die sie zusammen in der Pension in Trieffendorf verbracht hatten, war ihre Zunge zuletzt schwer gewesen.
    „Gute Nacht. Ich melde mich gleich morgen nach dem Aufstehen.“
    Senden.
    Notebook herunterfahren.
    Weckfunktion des Handys auf 6.30 Uhr stellen. Morgen würde er der perfekte Mitarbeiter sein: pünktlich zur Stelle, arbeitsam, produktiv und kooperativ. Er würde nichts demolieren, nicht nörgeln und sich alles aufschreiben, was zu tun war, denn Wort halten war bei Benno Zenn abhängig vom Vorhandensein eines Notizzettels.
    Wie oft schon hatte er sich das alles vorgenommen, tausend mal und mehr.
    Er blies die Kerze aus, legte sich auf die Pritsche, deckte sich zu und starrte in die Schwärze.
    Draußen, den Gang entlang, viele Gänge entlang und Treppen tiefer, um Ecken nach links und rechts herum und noch mal ti efer – ob sein Freund und Feind Maurice da gerade wieder am Graben war? Hinaus zu schleichen und hinunter, es herauszufinden, erschien ihm unter den neuen Gegebenheiten wie vorsätzlicher Verrat. Es galt eine nicht ausgesprochene und doch verbindliche Abmachung, sich ab sofort gegenseitig in Ruhe zu lassen.
    Maurice, dessen war sich Benno sicher, würde sich vo rerst daran halten. Heute Nacht war er in Sicherheit, so lange er die Spielregeln einhielt. Und dennoch: Hatte es einen Sinn, noch hier an diesem Ort zu sein und nicht zu versuchen, das Geheimnis herauszufinden?
    Zumindest konnte er mal in den Gang hinaus lauschen, ob er e twas hörte oder sah.
    Was, wenn ich nur deshalb noch hier bin, gerade damit ich h erumschleiche?
    Ein verrückter Gedanke, aber der einzige nachvollziehbare Grund für den Sinne swandel von Maurice. Er hatte die Information geschluckt, dass hier noch jemand außer ihm selbst heimlich in den Kellern zugange war. Und er erhoffte sich von Benno, dort hin geführt zu werden.
    Die Info freilich, wen Benno dort unten getroffen zu haben meinte, hatte er für sich behalten. Vie lleicht hatte er die Begegnung nur geträumt?

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