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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Möglichkeiten auszudenken, wie er die bittere Medizin für jene versüßen konnte, die aus dieser Umverteilung von Verantwortung und Herrschaft als Verlierer hervorgehen mochten, als er es auf dem Hinweg nach Yvenir getan hatte, und er war entschlossen, seinen Willen durchzusetzen, nicht nur deshalb, weil er der König war, sondern weil er wußte, daß er recht hatte und daß die Leute über kurz oder lang die Dinge auf seine Weise betrachten würden.
     
    »Aber dafür besteht doch gar keine Notwendigkeit, Herr.«
    »Na ja, das kommt schon noch.«
    »Herr, können wir dessen so sicher sein?«
    »Wir können dessen so sicher sein, wie wir sicher sein können, daß die Sonnen wieder aufgehen, nachdem sie untergegangen sind, Ulresile.«
    »Gewiß, Herr. Dennoch warten wir, bis die Sonnen erscheinen, bevor wir aufstehen. Was Ihr vorschlagt, ist, daß wir uns für den Tag fertig machen, während noch tiefste Nacht herrscht.«
    »Einige Dinge müssen nun mal weiter im voraus in die Wege geleitet werden als andere«, erklärte der König dem jüngeren Mann mit jovialer Resignation.
    Der junge Herzog Ulresile hatte sich dafür beworben, den Hof zurück nach Haspide zu geleiten. Er hatte seine Fähigkeiten der geschliffenen Rede und seine Ansichten während des Sommers beträchtlich entwickelt, seit damals, als wir ihm zum ersten Mal im Geheimen Garten hinter dem Palast von Yvenir begegnet waren. Vielleicht wuchs er einfach nur besonders schnell in seine Rolle hinein, doch ich halte es für wahrscheinlicher, daß seine neuerworbene Redegewandtheit vor allem dem Umstand zuzuschreiben war, daß er eine Saison lang im selben Palast wie der königliche Hof weilte.
    Wir lagerten in der Toforbianischen Ebene, etwa auf der halben Strecke zwischen Yvenir und Haspide. Ormin, Ulresile und der neue Herzog Walen – gemeinsam mit Kammerherr Wiester und einem Troß von Dienern – standen mit dem König in einem von einer Stoffwand umgebenen Hof, der zum Himmel hin offen war, außerhalb des königlichen Pavillons, während die Ärztin dem König die Hände verband. Hohe Fahnenmasten bogen sich in einer warmen, nach Herbst riechenden Brise, die königlichen Standarten flatterten in jeder Ecke des sechsseitigen Platzes, und ihre Schatten huschten wellenförmig über die Teppiche, die auf dem sorgsam geebneten Boden ausgelegt worden waren.
    Unser Monarch war im Begriff, einen traditionellen Knüttelkampf mit dem alten Stadtgott von Toforbis über sich ergehen zu lassen, eine Veranstaltung, die außerordentlich farbenprächtig ablaufen sollte, dargeboten von hundert Männern unter einem langen, gerafften Baldachin. Das Schauspiel bestand darin, daß ein Mann gegen eine Zeltplane kämpfte, auch wenn die Plane beseelt, verlängert und mit Schuppen bemalt war und einen riesigen Kopf in Form eines gar schrecklich bezahnten Vogels zur Schau trug, aber es war eines der Rituale, die man um der heimischen Bräuche willen ertragen mußte, und um die regionalen Würdenträger zufriedenzustellen.
    Herzog Ulresile beobachtete die Hände der Ärztin, während sie den Verband Lage um Lage um die Finger und die Handfläche des Königs wickelte. »Aber, Herr«, sagte er, »warum sollen wir das soweit im voraus angehen? Würde man es nicht als Torheit ansehen…?«
    »Weil es eine noch größere Torheit wäre zu warten«, sagte der König geduldig. »Wenn man einen Angriff im Morgengrauen plant, dann wartet man nicht bis zum eigentlichen Morgengrauen, bis man die Truppen weckt. Man fängt mitten in der Nacht an, sie zu organisieren.«
    »Herzog Walen, Ihr seid doch sicher derselben Ansicht wie ich, nicht wahr?« sagte Ulresile, und dabei hörte er sich aufgebracht an.
    »Ich bin der Ansicht, es hat keinen Sinn, mit einem König zu streiten, selbst wenn er etwas zu tun gedenkt, was uns geringerwertigen Sterblichen ein Fehler zu sein scheint«, sagte der neue Herzog Walen.
    Der neue Herzog war, nach allem, was man so hörte, ein würdiger Nachfolger seines verstorbenen Bruders, der ohne Nachkommen das Zeitliche gesegnet und dadurch gewährleistet hatte, daß sein Titel auf einen Geschwisterteil überginge, dessen Unmut darüber, daß er – seiner Einschätzung nach – ein Jahr zu spät geboren worden war, stets nur durch die eigene Bemessung seines Wertes aufgewogen worden war. Allem Anschein nach war er kein besonders umgänglicher Bursche, und er erweckte den Eindruck, eher älter zu sein als der alte Herzog.
    »Wie steht es mit Euch, Ormin?« fragte der

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