Inversionen
Gefahr droht«, sagte er. »Aber was ist mit unseren anderen Grenzen? Deren Bewachung ist auf ein Minimum oder noch weniger reduziert. Woher soll Verstärkung kommen, wenn es irgend einem anderen Ort einfallen sollte, Krieg gegen uns zu führen?«
»Die Schwierigkeiten in Ladenscion werden nicht ewig andauern«, sagte RuLeuin, obwohl er ein besorgtes Gesicht machte. »Die Streitkräfte werden nach Hause zurückkehren. Dank der unverbrauchten Männer und neuartigen Maschinen, die wir jetzt in Niarje haben, dürfte es Simalg und Ralboute gelingen, die Sache einer schnellen Beendigung zuzuführen.«
»Das hat man uns von Anfang an erzählt«, erinnerte YetAmidous die anderen. »Damals hätten wir alle losziehen müssen, wir alle. Wir hätten die Barone mit jedem uns zur Verfügung stehenden militärischen Mittel zermalmen sollen.« Der General ballte die Hand zur Faust und ließ sie mit einem Klatschen auf die Wasseroberfläche sausen. Yalde wischte sich Seifenwasser aus den Augen. YetAmidous trank, dann spuckte er den Wein aus. »Da ist Wasser drin!« beschwerte er sich bei Yalde und kippte ihr den Wein über den Kopf. Er lachte, und die anderen Männer fielen in sein Lachen ein. Der Wein brannte ihr ein wenig in den Augen, doch sie neigte den Kopf. YetAmidous tauchte ihren Kopf unter Wasser, dann ließ er sie noch einmal hochkommen. »Hier.« Er schob ihr den Kelch wieder in die Hände. Sie wischte ihn mit einer Serviette aus und schenkte aus dem Krug nach.
»Heute mag jedem von uns das vollkommen klar sein«, sagte ZeSpiole. »Aber damals war es das nicht, und dabei nehme ich keinen von uns aus. Wir alle stimmten darin überein, daß Simalgs und Ralboutes Männer mehr als ausreichend für diese Aufgabe sein würden.«
»Nun, sie waren es nicht«, sagte YetAmidous, dann prüfte er den Wein, indem er ihn im Mund herumschwenkte. »Der Protektor hätte ein so wichtiges Unterfangen nicht diesen Gecken überlassen sollen. Adlige, in der Tat! Sie sind nicht besser als wir. Er läßt sich allzusehr von ihrer hohen Geburt beeindrucken. Sie führen Krieg wie Kinder, wie Frauen. Sie vergeuden zuviel Zeit, indem sie mit diesen Baronen verhandeln, anstatt gegen sie zu kämpfen. Und selbst wenn sie kämpfen, dann kämpfen sie so, als ob sie Angst hätten, ihre Schwerter könnten blutig werden. Zuviel Eleganz, zuwenig Muskeln. List und Raffinesse werden großgeschrieben. Ich habe keine Zeit für derlei Firlefanz. Diesen Baronen begegnet man am besten ohne Umschweife.«
»Eure Direktheit war schon immer einer Eurer hinreißendsten Wesenszüge, YetAmidous«, sagte RuLeuin zu ihm. »Ich glaube, falls mein Bruder sich jemals Sorgen wegen Eures Stils als General gemacht hat, sorgte er sich allenfalls darüber, daß eure Angriffe dazu neigten, zu hohe Kosten an Menschen zu verursachen.«
»Oh, was sollen das für Kosten sein?« sagte YetAmidous und schwenkte die freie Hand. »Zu viele von ihnen sind faule Taugenichtse aus der Gosse, denen ohnehin ein früher Tod bestimmt gewesen wäre. Sie rechnen damit, mit Schätzen beladen zurückzukehren. Üblicherweise bringen sie lediglich die Krankheiten zurück, die sie sich bei den Huren einfangen. Der Tod auf dem Schlachtfeld, ein Platz in der Geschichte, ein Denkmal in Form eines Triumphgesangs – das ist mehr, als der Großteil dieses Abschaums verdient. Sie sind ein grobes Werkzeug, und man tut gut daran, grob damit umzugehen, ohne dieses weibische Fintenspiel. Es ist besser, geradewegs anzugreifen und die Sache schnell zu erledigen. Diese Ach-so-edlen-Gecken entehren das gesamte Kriegshandwerk.« YetAmidous warf einen flüchtigen Blick zu den beiden Mädchen am Beckenrand und dann zu Yalde. »Ich frage mich manchmal«, sagte er leise zu den beiden Männern, »ob vielleicht noch etwas anderes hinter der Unfähigkeit der Herzöge steckt, diesen Krieg zu beenden.«
»Was denn?« fragte RuLeuin stirnrunzelnd.
»Ich bin stets davon ausgegangen, zusammen mit dem Protektor, daß sie ihr Bestes zu geben versuchen«, sagte ZeSpiole. »Was wollt Ihr damit sagen, General?«
»Ich will damit sagen, daß wir vielleicht allesamt an der Nase herumgeführt werden, mein Herr. Daß Herzog Ralboute und Herzog Simalg den Baronen von Ladenscion näher stehen als uns.«
»Nur nicht körperlich, offensichtlich«, sagte RuLeuin lächelnd, machte dabei jedoch einen linkischen Eindruck.
»Wie? Ach so. Zu verdammt nahe. Begreift Ihr denn nicht?« fragte er, und hebelte seinen Rumpf vom Rand des
Weitere Kostenlose Bücher