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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Ewigkeit gelten, aber ihre Anwendung in der Welt muß sich verändern, so wie sich die Zeiten verändern. Der König hat recht mit seinen Äußerungen über den gesunden Menschenverstand der Bauern und Handwerker. Sie verfügen in vielen Dingen über eine weitreichende praktische Erfahrung. Wir dürfen ihre Fähigkeiten nicht unterschätzen, nur weil sie nicht von hoher Geburt sind.«
    »Eben«, sagte der König, zog sich hoch und neigte den Kopf nach hinten, um sich das Haar kämmen zu lassen, bevor es zu einem Knoten zusammengefaßt wurde.
    Ulresile sah Ormin an, als ob er im Begriff wäre zu spucken. »Praktische Erfahrung ist schön und gut, wenn ein Mann einen Tisch zimmert oder einen Ochsen beim Ziehen eines Pfluges lenken muß«, sagte er. »Wir befassen uns jedoch mit dem Regieren unserer Provinzen, und in dieser Hinsicht sind wir es, die über die gesamte Erfahrung verfügen.«
    Die Ärztin bewunderte ihr Werk an den verbundenen Händen des Königs, dann trat sie zurück. Der leichte Wind, der durch die gebauschten Stoffwände unseres provisorischen Hofs wehte, brachte den deutlichen Geruch von Blumen und Getreidestaub mit.
    Der König ließ sich von Wiester die dicken Knüttelhandschuhe überziehen und sie dann verschnüren. Ein anderer Diener stellte stabil aussehende, aber reich geschmückte Stiefel vor den König und führte dessen Füße behutsam hinein. »Wenn das so ist, mein lieber Ulresile, dann müßt Ihr den Bürgern der Städte Euer Wissen vermitteln, sonst machen sie Fehler, und wir sind noch schlechter dran als bisher; ich hoffe allerdings, wir alle können ein höheres Steueraufkommen durch derartige Verbesserungen erwarten.« Der König sah so aus, als ob jeden Augenblick niesen würde, dachte ich.
    »Ich bin sicher, die anteilige Geldzunahme für die einzelnen Herzogtümer wird nicht unbeträchtlich sein, sofern sie sich tatsächlich ergibt«, bemerkte Herzog Ormin mit der Miene von jemandem, dem der Wind heftig ins Gesicht bläst. »Und ich bin sicher, daß sie sich ergibt. Ja, gewiß.«
    Der König warf ihm einen schnellen Blick zu, mit den schweren Lidern von jemandem, dem ein Niesen in der Nase kribbelt. »Dann wäret Ihr also bereit, die Reformen als erstes in Eurer Provinz durchzuführen, Ormin?«
    Ormin blinzelte, dann lächelte er. Er verneigte sich. »Es wäre mir eine Ehre, Herr.«
    Der König holte tief Luft, dann schüttelte er den Kopf und schlug, so gut es ging, die Hände zusammen. Er bedachte Ulresile mit einem triumphierenden Blick, während dieser Ormin mit einem Blick voller Widerwillen und Abscheu ansah.
    Die Ärztin kniete bei ihrer Tasche. Ich dachte, sie wolle mir dabei helfen, die verschiedenen Stücke wegzupacken, doch statt dessen nahm sie ein frisches Stofftuch heraus, erhob sich und stellte sich genau in dem Augenblick vor den König, als dieser ein gewaltiges Niesen losließ, wodurch er sein Haar dem Griff des Lakaien entriß, der dabei war, es zu kämmen, und der Kamm geschoßartig auf den leuchtfarbenen Teppich flog.
    »Herr, wenn Ihr erlaubt«, sagte die Ärztin. Der König nickte. Wiester blickte mißbilligend drein. Erst jetzt holte er sein Taschentuch heraus.
    Die Ärztin hob das Tuch sanft an die Nase des Königs und ließ ihn hineinschneuzen. Sie faltete das Tuch zusammen und tupfte dann mit einem anderen behutsam seine Augen ab, die feucht geworden waren. »Danke, Doktor«, sagte er. »Und was haltet Ihr von unseren Reformen?«
    »Ich, Herr?« fragte die Ärztin mit erstauntem Gesicht. »Diese Dinge gehen mich nichts an.«
    »Aber, aber, Vosill!« sagte der König. »Ihr habt doch sonst zu allem eine eigene Meinung. Ich dachte, Ihr wäret mehr dafür als jeder andere hier. Ihr müßtet doch froh darüber sein. Das kommt doch in etwa dem gleich, was Ihr in Eurem wertvollen Drezen habt, oder nicht? Ihr habt Euch bei anderen Gelegenheiten unangemessen ausgiebig darüber ausgelassen.« Er runzelte die Stirn. Herzog Ulresile sah alles andere als glücklich aus. Ich sah, daß er Walen ansah, der ebenfalls einen bekümmerten Eindruck machte. Herzog Ormin hörte anscheinend gar nicht zu, obwohl sein Gesicht Überraschung ausdrückte.
    Die Ärztin faltete das Tuch langsam zusammen. »Ich habe über viele Dinge gesprochen, um den Gegensatz zwischen dem Ort, den ich beschlossen habe zu verlassen, und dem, an den ich beschlossen habe zu kommen, aufzuzeigen«, sagte sie mit einer Besonnenheit, die der gleichkam, mit der sie das Tuch zusammenfaltete.
    »Ich bin

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