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Inversionen

Inversionen

Titel: Inversionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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daß man voller Ungeduld wartet. »Ich nehme an, es ist dringend«, flüsterte ich.
    »Hmm. Glaubst du, der Foltermeister Nolieti leidet unter einer Erkältung?« fragte die Ärztin, während sie sich von ihrem Stuhl erhob und ihre lange Jacke anzog, die über der Rückenlehne gehangen hatte.
    Ich half ihr in die schwarze Jacke. »Nein, Herrin, ich glaube, wahrscheinlich wird jemand einem Verhör unterzogen, der… ähm… dem nicht wohl ist.«
    »Ich verstehe«, sagte sie, schlüpfte mit den Füßen in die Stiefel und richtete sich wieder auf. Wieder einmal überwältigte mich die körperliche Ausstrahlung der Ärztin, wie so oft. Sie ist groß für eine Frau, wenn auch nicht übermäßig groß, und obwohl sie für eine Frau breite Schultern hat, habe ich Weiber auf dem Fischmarkt und an Fangnetzen gesehen, die kräftiger wirkten. Nein, das, was an ihr vor allem einzigartig erscheint, ist meiner Ansicht nach ihre Haltung, die Art, wie sie auftritt.
    Mir waren schon mehrmals quälend verlockende Halbansichten von ihr vergönnt gewesen – nach einem ihrer vielen Bäder – in einem dünnen Hemd, von hinten vom Licht beschienen, in einem Wirbel gepuderter, parfümierter Luft von einem Zimmer ins andere schreitend, die Arme erhoben, um ein Handtuch um ihr langes, feuchtes rotes Haar zu schlingen, und ich habe sie bei großen höfischen Ereignissen beobachtet, bekleidet mit offiziellen Gewändern und so leicht und anmutig – und mit einem ebenso gezierten Gesichtsausdruck – wie eine der teuer ausgebildeten Debütantinnen der Saison tanzend, und ich bekenne freimütig, daß ich mich genau wie jeder andere Mann (jugendlich oder nicht) im körperlichen Sinn von einer Frau von ihrer Gesundheit und ihrem allgemein guten Aussehen angezogen fühlte. Dennoch ist etwas an ihrem Benehmen, das ich – und ich vermute, die meisten anderen Männer ebenfalls – abstoßend finde und vielleicht sogar ein wenig beängstigend. Vielleicht ist der Grund dafür eine gewisse unbescheidene Direktheit in ihrem Verhalten, und dazu kommt der Verdacht, daß sie, während sie sich mit untadeligen Lippenbekenntnissen zu jenen Tatsachen des Leben äußert, die die unbestrittene und offenkundige Überlegenheit des Mannes bestimmen, dies mit einer Art unangebrachtem Humor tut, der bei uns Männern das beunruhigende gegenteilige Gefühl hervorruft – daß sie uns nämlich auf den Arm nimmt.
    Die Ärztin beugte sich über den Schreibtisch und öffnete die Fensterläden, um den abendlichen Glanz des Seigen hereinzulassen. In der schwachen Lichtflut, die durch die Fenster hereinströmte, bemerkte ich einen kleinen Teller mit Gebäck und Käse am Rand des Schreibtischs der Ärztin, auf der dem Tagebuch gegenüberliegenden Seite. Ihr alter, schartiger Dolch lag ebenfalls auf dem Teller, die stumpfen Schneiden mit Fett verschmiert.
    Sie nahm das Messer auf, leckte an der Klinge und, nachdem sie mit den Lippen geschmatzt und ihm dabei eine letzte Reibung an ihrem Taschentuch verpaßt hatte, schob sie den Dolch in den Schaft ihres rechten Stiefels. »Komm«, sagte sie, »man darf den Foltermeister nicht warten lassen.«
     
    »Ist das wirklich nötig?« fragte die Ärztin und betrachtete die Augenbinde, die der Gehilfe des Verhörleiters, Unoure, in den schmutzigen Händen hielt. Er trug eine lange Metzgerschürze aus blutgeflecktem Leder über seinem dreckigen Hemd und einer weiten, fettig aussehenden Hose. Die Augenbinde war aus einer langen Tasche in der Lederschürze zum Vorschein gekommen.
    Unoure grinste, wobei er eine Mischung aus kranken, verfärbten Zähnen und dunklen Lücken, wo Zähne hätten sein sollen, entblößte. Die Ärztin zuckte zusammen. Ihre Zähne sind so gleichmäßig, daß ich beim ersten Mal, als ich sie sah, selbstverständlich annahm, daß es sich um ein besonders fein gearbeitetes falsches Gebiß handelte.
    »Vorschrift«, sagte Unoure, und sein Blick ruhte auf der Brust der Ärztin. Sie zog sich die lange Jacke enger ums Hemd. »Ihr seid eine Fremde«, erklärte er.
    Die Ärztin seufzte und warf mir einen Blick zu.
    »Eine Fremde«, sagte ich eindringlich zu Unoure, »in deren Händen beinahe täglich das Leben des Königs liegt.«
    »Und wenn schon«, sagte der Kerl und zuckte die Achseln. Er schniefte und machte Anstalten, sich die Nase mit der Augenbinde zu putzen, doch dann, als er den Ausdruck im Gesicht der Ärztin sah, nahm er davon Abstand und benutzte statt dessen wieder seinen Ärmel. »So lauten die Vorschriften.

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