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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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deswegen und dann wollte ich mit meiner Faust über seine Drei-Millimeter-Stoppeln reiben.
    Das Bier suppte an meinen Sohlen, als wir zur Kasse gingen. Carina stand bereits wieder hinter dem Tresen. Sie scannte die drei Schnapsflaschen. Ohne uns anzusehen fragte sie: »Geht ihr zu Fabi? Ich wollte nachher auch noch kommen.«
    Warum wollte sie jetzt auch schon wieder zu Fabian kommen? Sie verkomplizierte alles unnötig.
    Aber Sam sagte: »Logisch.«
    »49   Mark 87«, sagte sie.
    Ich wollte weg, ich dachte nicht nach, ich gab ihr einen Hunderter. »Passt schon.«
    Sie sah mich fragend an.
    »Ja, ja, passt schon. Das passt schon. Ist schon okay. Sam, komm, wir gehen. Das passt schon. Wegen dem Bier und so. Danke noch mal.«
    Ich nahm die Tüte mit den Schnapsflaschen in die eine Hand und packte Sams Arm mit der anderen. Sie sagte: »Danke!«
     
    |74| Fabians Haustür stand offen. Leo und Fabian saßen mit ihren Joypads in den Händen auf der Couch und spielten Tekken und bliesen abwechselnd Rauchschwaden an die Zimmerdecke. Um die beiden herum saßen Özcan und drei Jungs und ein Mädchen aus der Elften, das ich nicht kannte. Özcan versuchte, die Typen aus der Elften für sein Butterfly-Messer zu begeistern. Als er merkte, dass die für seine Waffe eher Verachtung als Bewunderung übrig hatten, zog er sein weißes Cap tiefer über die schwarzen Locken und spielte selbst damit herum. Es schnappte auf, es schnappte zu, es kreiste um sein Handgelenk und schnappte zu, es drehte sich in seiner Faust und schnappte auf.
    Sam und ich setzten uns dazu. Er stellte die Flaschen Jägermeister auf den Tisch und dann den Tequila daneben. Ich wollte Gläser aus der Küche holen, die inzwischen aussah, als hätte dort das letzte Jahr eine Gruppe Alkoholiker gehaust. Nur im hintersten Eck entdeckte ich noch sauberes Geschirr: zwei Eierbecher, die als provisorisches Trinkgefäß verwendbar waren. Wir tranken zwei Eierbecher Jägermeister und dann zwei Eierbecher Tequila.
     
    Zwei Stunden und etliche Eierbecher später kam Carina. Sie setzte sich neben Fabian und ich war mir sicher, dass sie mich aus den Augenwinkeln beobachtete.
    Sie ging in die Küche. Ich dachte an Sina, doch nur kurz, denn dann drängte sich Schenz in das Bild. Schenz, wie er erzählte, wo, wann und wie oft er mit Sina schlief. Wie er plapperte und es niemand von uns hören |75| wollte und wir alle genervt waren von den Geschichten, aber letzten Endes nur neidisch waren. Ich folgte ihr in die Küche.
    Sie stand mit dem Rücken zu mir und redete mit einem Mädchen, das ich nicht kannte. Es war ein Risiko, doch manchmal muss man zuschlagen, zugreifen, nicht lange zögern, tun, was man will. Wie ein Mann eben. Ich griff ihr an den Arsch.
    Das Mädchen, das mir zugewandt stand, verzog das Gesicht zu einer lang gezogenen Fratze. Ich grinste. Carina drehte sich blitzschnell um 180   Grad.
    »Was soll der Scheiß?«
    Ich hörte auf zu grinsen. Mir kam das irgendwie sehr plötzlich vor, dieser Stimmungsumschwung.
    Ich sagte: »Ich habe dir doch vorhin 50   Mark geschenkt.«
    Eine kleine Faust traf meine Nase.

|76| Acht
    Sehr geehrter Herr Dr.   Dommüller,
     
    gestern haben sie wieder Steine in den Garten geworfen. Einer hat Gertrud beinahe am Kopf getroffen. Es waren die Kinder. Die Blagen von den Utzschneiders, und der Kleine von den Sommers war auch dabei. Sie hassen uns ja alle. Die Utzschneiderin zischt mich an, wenn sie mich sieht. Überhaupt zischen ständig alle. Es ist ein ständiges Zischen. Sie tun das, weil sie uns das Leben unerträglich machen wollen! Sie hassen uns, seit dem Tag, an dem wir in dieses Haus gezogen sind. Gertrud geht es immer schlechter. Immer öfter sagt sie jetzt, sie hält es nicht mehr aus. Bitte, Sie müssen uns helfen. Es sind doch Beweise nun genug. Bitte, Sie sind unsere letzte Hoffnung.
     
    Mit freundlichen Grüßen
     
    Hilde Stetlow
     
    |77| Nachdem Leo den Brief gelesen hatte, sagte er eine Weile gar nichts und dann: »Krass.« Sonst nichts. Er starrte wieder irgendwo in die Ferne.
    »Sie haben den Brief an den Rechtsanwalt geschrieben, aber sie haben ihn nie abgeschickt. Er ist auf den 8.   August 1991 datiert. Warum macht jemand so was?«
    Leo zuckte mit den Schultern. »Ist krass«, sagte er. »Echt krass. Keine Ahnung, warum man so was macht. Echt keine Ahnung.«
    »Vielleicht hat sie jemand daran gehindert.«
    »Hm. Oder sie waren einfach durchgeknallt.«
    »Was ist, wenn sie noch leben?«
    »Leben nicht mehr. Die

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