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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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sind tot, sonst hätten sie doch das Geld mitgenommen.« Leo kraulte sich den Bart, und nachdem er einige Zeit gekrault und gar nichts gesagt hatte, sagte ich:
    »Vielleicht wurden sie abgeholt.«
    »Hm.« Leo kraulte und starrte.
    »Findest du das nicht irgendwie unheimlich?«
    Leo brummte, dann schweifte sein Blick von dem fernen Punkt zurück zu meinem Gesicht.
    »Gehen wir zu Franz und holen uns eine Pizza. Wenn ich Hunger habe, kann ich nicht richtig denken.«
    Wir gingen schnell, Leo immer einen Schritt voraus, sodass ich einige Mühe hatte, mit ihm gleichauf zu sein.
    »Ist es dir nicht unheimlich?«, fragte ich noch mal.
    »Wieso?«
    Er ging noch schneller. »Na, das ist doch irgendwie alles eigenartig. Unheimlich, meine ich. Also ein bisschen auf jeden Fall   …«
    |78| »Beim ersten Mal ist es vielleicht ein bisschen komisch. Aber eigentlich ist doch nichts dabei. Ich meine: Hey, das ist ein Geschäft. Die einen kriegen, was sie wollen, und die anderen kriegen, was sie wollen.«
    »Ein Geschäft? Das ist doch kein Geschäft. Das ist etwas komplett anderes.«
    »Ja, Mann. Das ist ein Geschäft. Jeder hat was davon, wo bitte ist da groß der Unterschied? Wenn wir bei Franz eine Pizza kaufen, ist das auch nichts anderes.«
    Ich hasste es, wenn er so schnell ging. Immer, wenn er so schnell ging, konnte ich nur verlieren. Entweder lief ich ihm wie ein Dackel hinterher oder ich machte mich zum Idioten, indem ich ihn darum bat, langsamer zu gehen.
    »Okay, ein Geschäft. Klar hat der Anwalt was davon. Er kriegt Geld. Geld haben sie ja genug.«
    »Eben. Die wollen es ja auch und wir geben es ihnen. Wo ist bitte das Problem?«
    »Äh, das Problem ist kein Problem.« Ich keuchte. »Ich frage mich nur, warum sie den Brief nicht abgeschickt haben.«
    Plötzlich blieb Leo stehen.
    »Welchen Brief? Und von was für einem Anwalt redest du eigentlich? Ich brauche doch keinen Anwalt. Die kriegen mich nicht!«
    »Na, der Brief aus dem Haus. Der Brief, den du gerade gelesen hast! Der war an einen Anwalt adressiert.«
    »Ach so, der Brief.« Leo wandte sich um und marschierte fast im Laufschritt weiter.
    »Also was meinst du?«
    |79| »Keine Ahnung. Ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal, wer da mit wem Stress hatte. Das ist doch ewig her. Ich habe gestern noch mal mit dem Zafko geredet. Nur so – jetzt ganz unabhängig von der Kommi-Sache. Die läuft eh auf jeden Fall. Damit kann ich jederzeit anfangen. Ich habe ihn nur mal so ganz allgemein gefragt, wie es wäre, wenn ich gleich ein ganzes Kilo kaufen würde. Da hat er mich ausgelacht und gesagt: Kannst du dir eh nicht leisten. Vergiss es. Ich hab gesagt: Vielleicht ja doch, vielleicht kann ich es mir ja leisten. Genau so habe ich es ihm gesagt. Da hat er mich komisch angeschaut, das hättest du mal sehen sollen, wie er geschaut hat. Und ich habe ihn wieder gefragt: Also, wie viel würde das Kilo kosten, wenn ich es direkt abnehme? Und weißt du, was er gesagt hat? Nichts! Also zuerst hat er nichts gesagt und mich lange angeschaut. Dann aber hat er gesagt: 5000.   Ich meinte: Okay, vielleicht bringe ich ihm die Kohle schon bald. Verstehst du? Scheiß auf diese Kommi-Sache. Das ist letztlich ja nur Kleinarbeit. Es ist viel geiler, wenn ich gleich ins große Geschäft einsteige.«
    Ein Wind fuhr über mein Gesicht und die Haare auf meinen Unterarmen. Er tat gut, denn es war ein schwüler Abend. Gerade versank die rote Sonne hinter den Mauern des Supermarkts. Ich mochte den Juni nicht, alles blühte und wucherte herum. Ich schwitzte. Leo. Leo, der Löwe. Er ging einfach weiter.
    »Leo, das ist vielleicht eine blöde Frage. Aber   …«, ich hielt inne und musste plötzlich an Sam denken. Etwas in meinem verdammten Kopf blockierte.
    |80| »Hm?«, fragte Leo, ohne sich zu mir umzudrehen oder seine Schritte zu verlangsamen. Er ging einfach weiter.
    »Hast   … hast du nie Angst?«
    »Angst?«
    »Ja, Angst. Davor, dass sie dich erwischen. Davor, dass du auf keiner Schule mehr bist. Ich meine, vor der Zukunft oder so?«
    Er blieb stehen.
    Die letzten Strahlen der Sonne spiegelten sich in seinen Augen. Er sah mich an, so als müsse er mit mir hier und jetzt um die Wahrheit ringen. Ich sah zu Boden und schämte mich im selben Moment, weil ja die Loser immer zuerst wegschauen.
    »Letztens meinte mein Vater auch so was. Er redet öfter auf so eine Art mit mir. Er fragt: ›Sohn, was willst du in deinem Leben erreichen?‹ Er sagt: ›Kannst du dich erinnern, als du zehn Jahre alt

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