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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
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ein Zug über die Gleise, der die Stimmen verschluckt hätte, doch Sam und Schenz sagten eh nichts. Schenz gab Sam den Joint zurück und sie sahen sich an und schienen auf irgendwas zu warten. Der Joint war ausgegangen und Sam musste ihn für ein paar Sekunden unter die Flamme seines Feuerzeugs halten. In diesem Moment reckte Schenz seinen schmalen Kopf nach oben und dann sahen wir es.
    |84| Sein linkes Auge war zugeschwollen wie das eines Boxers nach einem Kampf. Zwei gerötete Hautfalten ließen nur noch einen Schlitz übrig.
    »Was ist das?«, fragte Leo.
    »Was soll das schon sein? Sieht man doch. Das ist ein blaues Auge. Das kriegt man, wenn man von einem Vollmongo auf die Fresse bekommt. Das ist das«, fuhr Schenz ihn an, aber nachdem er geendet hatte, senkte sich sein Kopf wieder.
    »Dass das ein blaues Auge ist, sehe ich selbst.«
    »Sie haben ihm aufs M- M-Maul gehauen«, platzte es aus Sam heraus. Gleich darauf zog er wieder am Joint, den er sich wie einen Schnuller in den Mund schob.
    »Wer? Wer hat dir aufs Maul gehauen? Wer war das?«
    »Ja, wer?«, fragte ich. Die Frage war natürlich überflüssig, aber ich wollte auch etwas sagen.
    »Sch-Sch-Strasser.«
    »Strasser? Der Proleten-Strasser, der immer im Pilspub rumhängt? Der Schläger?« Leo kannte Strasser, sie waren beide in den Hochhäusern jenseits der Gleise aufgewachsen. Leo hasste ihn, weil Strasser ihn in der Grundschule regelmäßig verprügelt hatte.
    »Genau der. Heute Nachmittag, auf dem Nachhauseweg. Er und seine Deppen haben mich am Bahnhof abgefangen.« In Schenz’ Stimme lag etwas Weinerliches, das irgendwie auch ein bisschen übertrieben war.
    »Als ich durch die Unterführung gehen wollte, stand er plötzlich da. Ich wollte ihm ausweichen und habe noch gemeint: Servus, Strasser. Dann hat er mich angerempelt und gesagt, dass er Geld will. Ich habe gesagt: |85| Was soll das? Ich habe kein Geld. Dem ersten Schlag konnte ich noch ausweichen. Aber dann   … Ich habe ihn sogar einmal getroffen   … glaube ich. Und dann kamen seine Lakaien, der dicke Riedler und dieser andere Kerl, ich weiß nicht, wie er heißt. Ich hatte echt keine Chance. Wenn er alleine gewesen wäre, ich schwör’s, ich hätte ihm so eine reingehauen. Aber gegen drei! Gegen drei Leute! Niemand hat eine Chance gegen drei.«
    Schenz’ Stimme zitterte jetzt. Dann schob er ein leises »Oder?« hinterher. Wir wussten, dass der schlanke, fein gebaute Schenz auch alleine natürlich nie eine Chance gegen den Strasser gehabt hätte, aber wir schwiegen und versuchten ihm mit unserer Stille zu sagen: Ja, Schenzi, eh klar. Wenn er alleine gewesen wäre, hättest du ihn umgehauen.
    »Kannst du dir vorstellen, wie scheiße das ist, wenn drei Leute dich zusammenschlagen? Das kannst du dir nicht vorstellen. Es ist so mies, verdammt. Das ist so feige. Wenn er wenigstens Mann gegen Mann   … dann hätte ich   …«
    »Schenz«, unterbrach ich ihn. »Warum? Warum wollte er Geld?«
    »Keine Ahnung, er hat nur gesagt: Gib mir Geld!«
    »Was genau hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt: Ich habe gehört, du hast Geld.«
    »Er hat gesagt: Ich habe gehört, du hast Geld?«, wiederholte ich.
    »G- G-Geld «, wiederholte Sam.
    »Ist doch scheißegal, was er gesagt hat. Schau dir mein Auge an! Ich kann fast nichts sehen. Das dauert |86| mindestens drei Wochen, bis das weg ist. Ich muss drei Wochen mit so einem Auge rumlaufen! Wie scheiße sieht das bitte aus?«
    »Und nachdem sie dich verprügelt haben, was ist dann passiert?«
    »Die Schweine haben mir meine Uhr abgenommen. Meine Uhr, verdammte Scheiße!«
    Leo, der die ganze Zeit über nichts gesagt hatte, stand plötzlich auf und drückte seine Brust nach vorne. Seine Nackenmuskeln spannten sich und seine Arme formten eine Art Halbkreis. Er sah aus wie ein Affe.
    »Ich mache ihn fertig. Wir machen den Strasser fertig. Jetzt hört mal her: Das lassen wir uns nicht gefallen. Das lassen wir ihm nicht durchgehen. Der Strasser ist der letz-te Wich-ser, der hier rum-läuft!« Er betonte die letzten Silben, wie einen militärischen Befehl. Hätte nur noch gefehlt, dass er »Private Sam« gebrüllt hätte.
    »J-j-ja!«, rief Sam.
    »Ich werde morgen mit Özcan sprechen. Der hat auch eine Rechnung mit Strasser offen. Die Bahnhofstürken helfen uns bestimmt. Und die, das sag ich euch, die sind auch schnell mit dem Messer. Kein Scheiß. Der Özcan hat einen Cousin, der schon mal einen abgestochen hat.«
    Doch Schenz sagte nur: »Ich weiß nicht. Ich

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