Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Mattheis
Vom Netzwerk:
gefunden und verteilte ihn nun auf den faulen Resten und Gartenabfällen. Es war absehbar, dass er gleich wieder seinen Schlachtruf »Anarchie! Anarchie!« posaunen würde. Kleine Grüppchen saßen auf dem langsam feucht werdenden Gras und tranken Bier. Fabian lümmelte seit Stunden auf einem Stuhl neben Schenz und Leo und rauchte. Jemand hatte die Boxen der Stereoanlage auf die Terrasse gestellt und jetzt beschallte die Anlage den Garten und das Maisfeld mit der neuen Platte von Snoop Dog, was irgendwie komisch war, weil Snoop Dog ja im Getto von South Central L.A. lebt und wir aber in Meining vor einem Maisfeld saßen. Leo und Schenz sprachen seit einer Stunde kein Wort mehr. Entweder starrten sie mit geöffneten Mündern in den klaren Nachthimmel oder lachten über etwas, was niemand außer ihnen verstand. Ich betrachtete Schenz’ Gesicht. Er sah mich nicht an. Er wusste nichts, er konnte nichts wissen. Wahrscheinlich wäre es ihm sogar egal. Wenn Sina ihm irgendetwas |184| bedeuten würde, dann säße er nicht hier auf LSD auf diesem lächerlichen Gartenstuhl herum, redete ich mir ein. Liebte er sie wirklich, würde er mit ihr reden, sich um sie kümmern, sie zum Lachen bringen. Sie hatten den ganzen Abend kein einziges Wort miteinander gesprochen. Ich hatte nur etwas beschleunigt, was eh längst kaputt war. Sina und Sylvie unterhielten sich mit zwei Jungs, die ich noch nie gesehen hatte. Ich sah mich um und mir fiel auf, dass ich überhaupt nur etwa die Hälfte der Gäste kannte.
    »Wer sind eigentlich die ganzen Leute?«, fragte ich Fabian. »Die dort drüben zum Beispiel«, ich deutete auf die zwei Jungs, die mit Sina redeten, »ich habe die noch nie gesehen.«
    Fabian zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung. Vielleicht hat Sina sie mitgebracht oder Sam hat sie eingeladen. Wo ist er eigentlich?«
    Ich wusste es nicht. Wahrscheinlich oben. Ich hatte ihn seit Stunden nicht mehr gesehen. Er hatte sich kein einziges Mal blicken lassen, obwohl es seine eigene Party war. Und wir hatten ihn vergessen. Es hatte einfach niemanden gekümmert, solange genug Musik, Alkohol und anderes da war. Zwei- oder dreimal hatte ich einen der Partygäste fragen hören, weshalb denn das gesamte obere Stockwerk verdunkelt sei. Entweder hatten sie es für einen Partygag gehalten oder einfach mit den Schultern gezuckt und sich ein neues Bier geholt.
    Es gab einen lauten, dumpfen Knall. Mädchen schrien, Schenz zuckte zusammen und Leo sprang aus seinem Stuhl auf. Mit einem Mal wurde der Garten hell. Eine |185| Flamme schoss meterhoch in die Höhe. Jemand brüllte: »Ihr Irren!« Jim aber rief: »Anarchie!«
    Er hatte den Komposthaufen angezündet. »Scheißpunk!«, rief jemand. Es war nicht Özcan, sondern einer der Jungs, die bei Sina herumstanden. Schenz wimmerte im LS D-Rausch zusammengeknüllt in seiner Ecke. Zunächst war es ein ängstliches Gejammer, doch dann wurde daraus ein schrilles: »Wahnsinn, Wahnsinn!« Und immer wieder: »Wahnsinn!«
    Leo stand mit offenem Mund vor seinem Stuhl. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er begriffen hatte, was geschehen war. Dann setzte er sich wieder und begann, das Schauspiel zu genießen. Zwei Mädchen tanzten um das Feuer herum. Ein paar besoffene Jungs grölten und Jim pirschte sich so nah wie möglich an die Flammen heran und sprühte noch mehr Brennspiritus hinein, was das Feuer mit einer erneuten fauchenden Stichflamme quittierte. Ich weiß nicht mehr, warum ich jetzt aufstand, weil es nämlich gar nicht meine Art war, solche Sachen zu machen, also mich einzumischen, meine ich. Auf jeden Fall wankte ich schon. Ich ging zu Sina und Sylvie und den beiden Jungs. In der Ecke des Gartens loderten die Flammen, ich spürte ihre Hitze. Die Gespräche verstummten, als ich mich dazwischendrängte. Die beiden Jungs überragten mich um einen ganzen Kopf, sie mussten mindestens fünf Jahre älter sein als ich. Unter ihren schwarzen und grauen Pullovern ragten Hemdkragen hervor. Ihre Jeans saßen genau und waren keinen Zentimeter zu weit und an ihren Füßen trugen sie glänzende, schwarze Lederschuhe. Unbeholfen |186| griff ich nach Sinas Hand. Es war mir egal, ob Schenz etwas sah. Sollten es ruhig alle sehen, Schenz, Leo, Carina und vor allem dieser Lackaffe neben ihr. Doch sie zog ihre Hand weg.
    »Wir wollten gerade fahren.«
    »Wer ist
wir

    Die beiden Typen musterten mich abfällig.
    »Andi und Basti nehmen uns noch mit ins Nightflight.«
    »Andi und Basti sind doch schwul.«
    »Sina, der Typ

Weitere Kostenlose Bücher