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Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Irgendwann werden wir uns alles erzählen

Titel: Irgendwann werden wir uns alles erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Krien
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Aber der Siegfried ist kein Mann für solche Geschichten. Ihn interessiert es nicht, ob sich die Haut seiner Frau plötzlich weicher anfühlt, und ob sie nach Heu oder Flieder riecht, ist ihm ganz egal. Wahrscheinlich ist ihm das Heu sogar lieber. Wir wissen nicht, ob es die kesse Aussage über den Henner ist oder das verschwendete Geld, was den Siegfried so aufbringt, jedenfalls steht er auf, nimmt eine der leeren Weinflaschen und schlägt sie an der Tischkante entzwei. Dann schreit er: »Du machst mich nicht zum Deppen, Marianne, das haben schon ganz andere versucht!« Er stürzt aus dem Zimmer, raus in den Hof. Wir hören ihn schreien: »Man kann den Weibern eben nicht trauen! Das wird sich nie ändern! Blöde Weiber!« Erst spät in der Nacht kommt er zurück. Johannes sagt, er habe seinen Vater bisher nur einmal so gesehen, und das war, als die Marianne beim Dorffest vor zwei Jahren mehrere Male und dicht angeschmiegt mit dem Bruder des Lindenwirts getanzt hatte, von dem doch jeder wusste, dass er bei der Stasi war. Beide waren angetrunken, und beim Siegfried holt der Alkohol sicher nicht die besten Seiten hervor, obwohl er sonst ein vernünftiger Mann ist.
    Damals hat er sie nach Hause gezerrt, und dort, im Schlafzimmer, schlug er sie. Lukas lag nebenan und hörte alles mit an.
    Nach dieser Szene ist mir elend zumute. Ich wünschte, ich wäre beim Henner, ich wünschte, ich wäre frei. Dann lebte ich so lange mit ihm, wie es eben ginge, und wenn es nicht mehr ginge, bliebe ich trotzdem.

Kapitel 12
    AM NÄCHSTEN MORGEN steht der Siegfried trotzdem pünktlich um kurz nach fünf im Stall. Das sind die Dinge, die Marianne immer schon an ihm bewunderte und wegen derer sie ihn auch heute noch liebt. Seine Entschlossenheit, seine Kraft, sein Pflichtbewusstsein. Ein cholerischer Anfall wie gestern steht in keinem Verhältnis zu den fast zwanzig Jahren Ehe, die im Großen und Ganzen gute Jahre waren. Gegen Mittag haben sich die Wolken bereits verzogen, und erst als der Henner im Laden auftaucht, ballen sie sich wieder.
    Er kauft Fleisch und Wurst, Kartoffeln, Lauch und Tomaten und auch eine Schale Himbeeren. Er ist nicht meinetwegen gekommen, doch er freut sich, als ich eintrete und ihn anstelle der Marianne bediene. Sie traut sich kaum, ihn anzusehen, obwohl er doch nichts von dem Streit wissen kann. Es ist ihr dann auch recht, als Siegfried nach ihr ruft und ihre Hilfe auf einer der Weiden verlangt. Vielleicht wollte er sie auch nur dort weghaben. In den Liebesdingen, das habe ich festgestellt, sind die Älteren oft ebenso dumm wie die Jungen. Ich bleibe allein mit dem Henner zurück. Johannes und Lukas sind in die Stadt gefahren, um irgendwas für den Vater zu besorgen. Nur den Alfred, den vergesse ich so leicht, unauffällig, wie er immer herumschleicht.
    Ich packe ihm die Einkäufe in eine Papiertüte und stelle sie auf den Ladentisch. »Komm mal da vor, Maria«, sagt er zu mir, »ich will dich einmal anfassen.« Er gibt der Tür einen Stoß mit dem Fuß, sodass sie sich ein Stück bewegt; geschlossen ist sie aber nicht. Und da packt mich der seltsame Wunsch, vor ihm niederzusinken; ich weiß nicht, woher das kommt. Er aber schiebt die Einkäufe zur Seite und hebt mich mit einem Ruck auf den Ladentisch. Seine Hände wandern, wohin sie wollen, und ich sage: »Bist du verrückt geworden? Wenn die Marianne jetzt kommt?«
    Das scheint ihn nicht zu kümmern, und er fragt: »Wann kommst du wieder herüber?«, und nach einer kleinen Pause flüstert er: »Ich hatte mich schon an dich gewöhnt.« Sein Lächeln ist echt, es schmerzt mich. Er streichelt mein Haar und meine Arme, den Hals, meine Lippen und ist weich und auch ein wenig traurig. Die Hingabe dieser fiebrigen Nächte, die war wie ein Versprechen, und nun kommt er und verlangt danach.
    Etwas hat sich bewegt an der Tür. Vielleicht war es die Katze oder ein anderes schleichendes Wesen.
    Der Henner rollt mein Kleid nach oben. »Ich hab dir wehgetan«, sagt er, ohne mich anzusehen, und fügt hinzu: »Aber leid tut es mir nicht.« Seine Hände liegen jetzt still auf meinen Beinen. »Sag was, Maria, sag mir was!« Doch ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es ist nicht das, was er vermutet, was mich zögern lässt. Ich habe noch keine rechten Worte dafür, nur irgendeine unbestimmte Angst, die taucht aus einer finsteren Ecke auf und verschwindet gleich wieder. Nicht um mich, nein. Seinetwegen. So viel kann ich sagen.
    An der Tür, das ist der Alfred, da bin ich mir

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