Irgendwas geht immer (German Edition)
französischen Akzent: »Madame, isch sehe ein, welsche grauen’aften Fehler isch gemacht ’abe. Sie müssen misch sofort verlassen. Sie ’aben kein’ andere Wahl. Aber isch muss Sie warnen – wenn Sie das tun, werde isch sofort meine unwiderstehlischen Verführungstaktiken an meiner Frau numéro zwei anwenden, der göttlischen Coleen Nolan. Und isch werde Erfolg ’aben. Ganz bestimmt. Können Sie damit leben, Madame?« Was für ein Quatschkopf. Ein lustiger Kerl. Aber ein Quatschkopf.
Gerade fällt mir auf, dass er sich nie beschwert. Weder über mich noch über sonst etwas. Er hört zu, lässt alles auf sich wirken und findet immer eine Lösung für die Probleme, aber er macht sich nie über mich lustig oder beschimpft mich. So etwas würde er nie tun. Ich glaube, er liebt mich tatsächlich. Ungeschminkt. Ohne jeden Zweifel. Von Anfang an.
Ich erinnere mich noch daran, wie er einmal mitten während eines Wochenendeinkaufs im Supermarkt zu mir sagte: »Genau das liebe ich ganz besonders. Diese Momente, in denen wir als Team funktionieren. Ich weiß, welche Pastasauce du magst, und du weißt, welchen Schinken ich gern esse. Wir beide wissen, was die Kinder mögen. Wir wissen, wenn sie dieses nicht mehr gern essen und stattdessen etwas anderes. Wir wissen sogar, was wir jede Woche kaufen, um uns gesünder zu ernähren, obwohl wir es dann doch nie tun. Wir wissen, dass wir es eben gern im Kühlschrank stehen haben. Dieser frische Spinat, die Melone, dieses fettarme Was-weiß-ich, all das tröstet uns. Ich liebe das. Sehr sogar. Das große Glück liegt in den kleinen Dingen. Spaghetti? Her damit! Salatsauce? Aber bitte sehr …«
Ja, er liebt mich, und er liebt unsere Familie. Wir arbeiten gut zusammen, in diesem Punkt hat er völlig recht. Wir sind ein gutes Team. Ich genieße es, dass alles so perfekt durchorganisiert ist, die Action, die Tatsache, dass immer etwas läuft, und er mag die kurzen Unterbrechungen, die Stolpersteine. Er hat keine Angst davor, fürchtet sich nicht vor den hässlichen und heiklen Dingen im Leben. Was gut so ist, weil ich von beidem mehr als genug liefere.
Ich weiß, dass ich völlig durch den Wind bin. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen, bin nicht mehr Herrin der Lage, weiß nicht, was ich tue. Andererseits aber doch, denn wenn ich ehrlich zu mir bin, treffe ich eine Wahl. Ich entscheide mich dafür, nicht aufzuhören. Sondern mich geradewegs ins Chaos zu stürzen.
Und inmitten dieses Wirbelsturms versuche ich verzweifelt, mein normales Leben weiterzuführen, obwohl mir schon jetzt klar ist, dass ich jämmerlich versagen werde. Ich dachte, indem ich die aufmerksame, wissbegierige Ruhe meines reizenden Ehemanns widerspiegle, gelingt es mir, aber das stimmt einfach nicht. Wie es aussieht, wirke ich weder ruhig noch wissbegierig noch aufmerksam. Stattdessen spiele ich meine Rolle nicht sehr gut, denn ich scheine mit meinem Verhalten alle aufgeschreckt zu haben. Ich habe Dora nur gefragt, wie ihre Prüfung gelaufen ist, worauf sie wie von Sinnen zu toben anfing und mich anschnauzte, ich sei eine »egoistische, nutzlose Ziege, die noch nicht mal gemerkt hat, dass ihre Tochter die letzte Prüfung geschrieben und damit die Schule endgültig hinter sich gebracht hat, herzlichen Dank für deine tolle Unterstützung, Mum«. Mein reizender Ehemann starrte in verlegener Zustimmung nur auf den Boden. Oscar will überhaupt nicht mehr mit mir kommunizieren und meint, ich hätte ihn vor Noel in Grund und Boden gedemütigt. Aber genau das musste ich ja tun, schließlich hat er sich völlig unmöglich aufgeführt und die Sitzungen benutzt, um seine erbärmlichen Kleinjungen-Phantasien zu befriedigen. An Noel. Ausgerechnet an meinem Noel.
Und das Schlimmste ist, dass er in meinen Akten herumgeschnüffelt und das fragile und höchst intime Vertrauensverhältnis sabotiert hat, das ich mir mühsam mit Luke Wilson und seiner Mutter erarbeitet hatte. Gerade als es mir gelungen war, Zugang zu diesem armen kleinen Jungen zu bekommen, musste Oscar, dieser Idiot, alles niedertrampeln. Dafür musste ich ihn bestrafen. Es war absolut inakzeptabel, und das weiß er auch. Was für ein mieser kleiner Wichtigtuer. So klug auf der einen und so verdammt unsensibel auf der anderen Seite. Es ist fürchterlich. Beide Kinder sind im Moment fürchterlich. Ich komme einfach nicht mehr an sie heran und bin mir nicht einmal sicher, ob ich sie mag. Fest steht hingegen, dass sie mich nicht mögen.
Dora ist
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