Irgendwas geht immer (German Edition)
die reinste Katastrophe. Absolut grauenhaft. Ich werde allein zu Fuß hingehen müssen, und jeder wird wissen, dass meine Freundin lieber mit meinem Ex hingeht als mit mir.
Meine beste Freundin hat mich abserviert. Sie hasst mich, das kann gar nicht anders sein, denn weshalb würde sie mir sonst so etwas antun? Und ich dachte, wir bleiben für immer Freundinnen. Das haben wir uns doch immer geschworen. Ich habe es auch so gemeint. Wenn man sagt, dass man jemanden liebt, sollte man es auch so meinen, sonst sollte man es gar nicht erst sagen. Sam, Lottie, Mum, sie alle sind elende Lügner. Ich habe niemanden. Gar niemanden.
NEUNUNDFÜNFZIG
MO
Eigentlich hätte ich den heutigen Abend am Schreibtisch verbringen sollen. Nur noch ein Monat, bis ich die vorläufige Manuskriptversion liefern muss. Wieso um alles in der Welt habe ich mich auf so einen frühen Abgabetermin eingelassen? Weil ich damals keine Ahnung hatte, dass ich komplett durch den Wind sein würde. Ich sollte inzwischen längst etwas halbwegs Anständiges zu Papier gebracht haben und mich mit den Feinheiten beschäftigen, statt an einem völlig überflüssigen Kapitel herumzubasteln, in dem es darum geht, wie man einem Teenager offene Fragen stellt, ihm am Ende aber doch nur ausweichende Antworten entlocken kann.
Vielmehr wäre es angebracht, darüber zu schreiben, dass man sich als Elternteil schlichtweg weigern sollte, überhaupt ein Wort mit seinen pubertierenden Kindern zu wechseln, bis sie in der Lage sind, auf halbwegs zivilisierte Weise mit einem zu kommunizieren. Ich sollte schreiben, dass wir zu meiner Zeit noch nicht mit unseren Eltern über jede Kleinigkeit »verhandeln« konnten. Stattdessen bekamen wir, wenn wir frech wurden, schlicht und einfach eine schallende Ohrfeige und eine Woche Süßigkeitenverbot. Und selbst wenn wir uns danebenbenahmen, nahm es nie derartige Ausmaße an. Pamela verpasste mir schon einen Klaps, wenn ich in meinen Bart brummelte oder mich essend auf der Straße erwischen ließ. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, ihr zu widersprechen. So etwas war schlicht undenkbar und wäre mit dem sicheren Tod geahndet worden.
Dora hat sich in ihrem Zimmer verbarrikadiert und weigert sich, mit jemandem zu reden. »Und sieh mich nicht an! Wann immer du mich ansiehst, zeichnet sich die Enttäuschung, dass du ein potthässliches Monster als Tochter hast, auf deinem Gesicht ab. Geh zu Lottie und sieh sie an. Sie ist doch mehr dein Typ. Ihr seid beide elende Lügner. Ihr beide gehört zusammen! Am besten in der Hölle!«, schrie sie mich an. Dann knallte sie die Tür so fest zu, dass die Türklinke kaputtging, worauf sie dermaßen wüste Flüche ausstieß, dass selbst ein Seemann noch etwas hätte lernen können. Ich vermute, mit Lottie gab es wegen irgendetwas Zoff, was wirklich übel wäre. Lottie ist Doras einzige Freundin. Dora muss irgendetwas besonders Hirnverbranntes getan haben. Natürlich werde ich es niemals erfahren, denn mir erzählt ja keiner etwas, sondern ich muss in der ewigen Verbannung schmoren.
Ich hätte ihr auch gern beim Anziehen ihres Ballkleids geholfen, nicht zuletzt weil ich vermute, dass es viel zu tief ausgeschnitten ist und wahrscheinlich ziemlich billig aussieht. Vielleicht sollte ich sie ja hineinnähen, damit sie nicht versehentlich herausschnellt. In weniger kriegslastigen Phasen unserer Beziehung hat es mir immer großen Spaß gemacht, ihr beim Anziehen zu helfen. Egal wie alt sie ist – die passenden Sachen herauszusuchen und sich für einen besonderen Anlass in Schale zu werfen, ist immer spannend und aufregend, und ich habe es immer sehr genossen, wenn sie mich nach meiner Meinung gefragt hat.
Welche Schuhe?
Welche Handtasche?
Mag sein, dass ich ein gutes Stück älter bin als sie, trotzdem kann ich mich nach wie vor für diese mädchenhaften Freuden erwärmen. Genau deshalb war ich ja so begeistert, als ich eine Tochter bekam. Mit Doras Geburt hatte ich Gelegenheit, Rosa, Tüll und Engelsflügel noch einmal in einer Art und Weise Teil meines Lebens werden zu lassen, wie es einem als erwachsene Frau nicht mehr möglich ist. In jeder Frau steckt eine kleine Märchenprinzessin, doch müssen wir sie sorgsam vor den Augen der Welt verbergen, um ernst genommen zu werden. Und Märchenprinzessinnen zeigen sich in allen erdenklichen Formen, Farben, Größen und Typen. Sie müssen nicht zwangsläufig weich und flauschig sein, sondern können sich durchaus fordernd und zornig zeigen, wenn ihnen
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