Irgendwas geht immer (German Edition)
überall herum. Es scheint, als hätten sie sich wie ein Gift in der ganzen Praxis ausgebreitet.) Mein Atem kam stoßweise, und ich fühlte mich sehr schwach. Diese Szene war so unsäglich peinlich gewesen.
Sie sprach mit nervtötend leiser Stimme zu mir. »Du machst dich komplett zum Narren, Oscar. Bitte, hör auf damit, sonst bringt dich diese Peinlichkeit noch um. Lass es bleiben. Bei Noel bist du an der falschen Adresse. Es wird keine weiteren Therapiesitzungen mehr bei ihm geben, verstanden? Ich weiß, dass du Liebeskummer hast, aber das wird vorbeigehen. Du wirst dich davon erholen, allein schon deshalb, weil ich davon ausgehe, dass dein Ego den tiefen Fall gebremst hat. Also. Viel wichtiger ist, dass ich stocksauer auf dich bin. Luke Wilson hat gerade angerufen und wollte von mir hören, wie es kommt, dass du so viel über ihn weißt. Dir ist doch klar, wie wichtig Vertraulichkeit und Diskretion sind. Willst du mir gefälligst sagen, was passiert ist? Und willst du vielleicht gleich auch noch eine anständige Tracht Prügel, du verdammter Idiot?!«
Entlarvt. Blamiert. Eine Katastrophe. Eine absolute Katastrophe.
FÜNFUNDFÜNFZIG
MO
Um mich herum herrscht das blanke Chaos. Ich habe keine Ahnung, woran ich mich orientieren soll. All meine gewohnten Mechanismen funktionieren nicht mehr. Ich hätte wissen müssen, dass es schwierig werden würde, mich in der Gegenwart meines reizenden Ehemanns ganz normal zu benehmen. Schließlich ist er derjenige, der potentiell den größten Schaden davontragen wird. Ironischerweise scheint ihn nichts aus der Ruhe zu bringen, und alles läuft in den normalen, geregelten Bahnen. Andererseits ist es logisch, dass er sich normal benimmt. Mo, du Idiotin, er hat keine Ahnung, dass hier etwas nicht stimmt. Aber wie kann er das nicht mitkriegen? Haben wir derart den Draht zueinander verloren, dass er mir mein Dilemma nicht sofort ansieht, obwohl es mir geradezu auf die Stirn geschrieben steht? Würde er es nicht bemerken, wenn er nur ein klein wenig genauer hinsehen würde?
Aber ich vermeide konsequent jeden Blickkontakt mit ihm, so dass er keine Chance hat, etwas zu erkennen. Allein das sollte ihm schon ein Zeichen sein. Ich fasse es nicht, dass er nicht spürt, dass etwas im Busch ist. Knapp siebenundzwanzig Jahre Ehe. Sollte er nicht mittlerweile gelernt haben, mein Verhalten einzuschätzen? Ich bin ziemlich sicher, dass ich das umgekehrt bei ihm sehr wohl kann. Ist das etwa ein Beispiel für diese entsetzlich abgedroschenen »Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus«-Argumentationen? Männer sind die Sonne, Frauen der Mond? Männer sind rot, Frauen blau. Männer sind Kaffee, Frauen Tee. Männer haben Eier … Frauen nicht. Was bedeutet das überhaupt? Natürlich sind Männer anders als wir Frauen, aber sollten wir nicht innerhalb unserer Ehe eine Verbindung zueinander haben? Und sollten wir nicht ständig daran arbeiten, sie hegen und pflegen, damit kein Unkraut in den Fugen wachsen kann?
Eigentlich dachte ich, wir kriegen das sehr gut hin. Sogar ganz ausgezeichnet. Bei jedem Hochzeitstag setzen wir uns hin und machen Bestandsaufnahme. Was in den vergangenen Monaten passiert ist, welche Gefühle wir füreinander haben, wie wir unser Leben und unsere Ehe sehen. Ich dachte, wir hätten sie gut im Griff und wüssten, was mit uns passiert, und ich hatte nie Hemmungen, auszusprechen, wenn mir etwas auf der Seele brannte. Das tue ich sogar regelmäßig, und manchmal sogar ziemlich drastisch.
Ich kann mich gut daran erinnern, wie er bei einem Paris-Trip anlässlich unseres Hochzeitstages zusammenzuckte, als ich an der Reihe war, meine Kritikpunkte darzulegen, die ich mir der Einfachheit halber auf einer Karteikarte notiert hatte.
Verschwitzte Sporthandtücher auf dem Boden
Endlose Duschorgien
Kratzt sich die Eier in Gegenwart anderer Leute
Trägt alte, ausgeleierte Rugby-Shirts in seiner Freizeit
Ständig albernes »Wassislos«-Proletengrunzen
Nennt mich »meine Erstfrau«, gefolgt von johlendem Gelächter und Schenkelklopfen
Weckt pausenlos die Kinder auf, um ihnen einen Gutenachtkuss zu geben
Guinness-Fürze. Ununterbrochen.
Er riss mir die Karte aus der Hand, las die Punkte laut vor und würzte sie mit Kommentaren wie »stimmt, echt widerlich«, »völlig inakzeptabel« und »Lass dich sofort von diesem Monster scheiden«. Schließlich beugte er sich über den Tisch – wir saßen in einem süßen kleinen Restaurant im Marais – und sagte mit aufgesetztem
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