Irgendwas geht immer (German Edition)
Schande gestehen, dass ich eine gewisse Eifersucht auf den Schulterschluss meines reizenden Ehemanns mit meiner Mutter verspürte. Ein ausgesprochen unangenehmes Gefühl.
»Mum, ich würde dich nie von etwas ausschließen, wenn es keinen triftigen Grund dafür gäbe. Es ist alles nicht so einfach.«
»Das verstehe ich, Mo, aber ich finde, gerade in einer Situation wie dieser solltest du wissen, dass es meistens ganz einfach ist . Entweder liebst du deinen Mann noch, oder du tust es nicht. So einfach ist das. Also, Schatz?«
Einen Moment lang überlegte ich, die Charade noch weiter fortzuführen, doch meine Gefühle übermannten mich. Ich brach in Tränen aus. Erst waren es nur wenige, die sich mit etwas Husten und Blinzeln unter Kontrolle halten ließen, jedoch mit jeder Sekunde, sie sie mich weiter ansah, kullerten sie immer schneller über meine Wangen, bis es endgültig kein Halten mehr gab. Das Schlimme am Weinen ist, dass man die Flut nicht länger im Zaum halten kann, wenn erst einmal ein bestimmter Punkt überschritten ist. Oh Gott, ich wusste gar nicht, dass ich so viel Flüssigkeit im Körper habe. Und die Entladung all dieser Mengen hatte etwas beinahe Orgiastisches. Es fühlte sich herrlich an, zu spüren, wie die Anspannung allmählich nachließ.
»So ist es gut, Schatz. Lass es raus. Alles raus. Du kannst mir vertrauen.«
»Oh Mum …« Stammelnd begann ich zu schildern, was passiert war, was nicht passiert war, erzählte von meiner Verwirrung, meiner Erkenntnis über die Tristheit meines Alltags. Alles. Und die ganze Zeit über hielt sie meine Hand und hörte mir zu. Ich gab mehr preis, als ich sollte, doch ich konnte meinen Redefluss nicht mehr stoppen. Es schien, als müsste alles heraus, alles gesagt werden, herausgekotzt, wie eine Katze ein Fellknäuel herauswürgt. Allmählich spürte ich, dass es mir besserging.
Pamela saß geduldig da und hörte mir zu. Und nachdem ich die letzten stammelnden Sätze herausgebracht hatte, erwiderte sie in ihrer unnachahmlich direkten Art: »Du hast einen Ritter gebraucht und glaubst, dass einer gekommen ist, stimmt’s, Mo? Um dich zu retten.«
»Aber wovor?«
»Vor der Vorstellung, dass du niemandem mehr etwas bedeutest.«
Das war der ultimative Schlag ins Gesicht. Und er schmerzte. Sehr sogar. Weil er möglicherweise den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
»Ich will dir etwas sagen. Nimm es mit und denk später darüber nach: Mir bedeutest du sehr wohl etwas«, fügte sie hinzu.
Das gab mir den Rest. Schluchzend warf ich mich an ihre Brust und weinte und weinte. »Es ist unerträglich, Mum. Ich bin unerträglich.«
Wir blieben noch eine Weile sitzen. Sie strich mir übers Haar und tätschelte mir den Rücken. Ich bin nicht ganz sicher, wie lange wir dort saßen, weil ich, so unglaublich sich das auch anhören mag, irgendwann einschlief: Ich hatte den Kopf auf ihre Schulter gelegt, genoss dankbar das Gefühl der Sicherheit und wünschte, etwas von ihrer Kraft möge auf mich überfließen und mich sicher durch diesen wilden Sturm navigieren.
SECHSUNDSECHZIG
DORA
Manchmal ist es, als käme aus einem guten Grund alles zusammen, auch wenn man ihn in diesem Moment nicht kennt. Ein paar Tage lang war alles total beschissen – erst die Sache mit Mum, dann Sam und Lottie, der Vorfall beim Abschlussball und jetzt auch noch, dass zu meinem Geburtstag praktisch alle in den Ferien sind oder noch nicht mal auf meine Einladung geantwortet haben. Mittlerweile haben gerade mal drei Mädchen aus meiner Klasse zugesagt, und die sind alle Emos.
Also habe ich mit Dad geredet, der meinte, wir sollen uns das Geld für den Raum über dem Pub lieber sparen. Er gibt mir die zweihundert Pfund jetzt so, außerdem spendiert er uns die Getränke und etwas zu essen, damit wir hier zu Hause feiern können. Das heißt, dass wir uns doch ein paar Eimer von KFC kommen lassen können, wie ich es sowieso die ganze Zeit wollte. Immerhin etwas. Aber das ist mal wieder typisch – ich muss ausgerechnet mitten in den Sommerferien Geburtstag haben, wo alle weg sind. Super! Aber auf Pyjamapartys stehe ich total, und genau das machen wir jetzt auch.
Drei traurige Emos und ich. Ganz toll!
Und von meinen neuen Facebook-Freunden habe ich nichts mehr gehört, und ich dachte schon, ich hätte sie für immer verloren. Mit Peter rede ich nicht mehr, weil er seinen neuen Freund zu meiner Party eingeladen hat, ohne mich vorher zu fragen. Mit Mum rede ich sowieso nicht, weil ich sie hasse.
Weitere Kostenlose Bücher