Irgendwie Top
du mir, äh, uns Bescheid, wenn er heimkommt.“ Mark ging es ja nun auch etwas an. Er war Tims Freund.
Markus’ Vater bestätigte auf Englisch, erhob sich mit ihnen und begleitete sie in den Flur. Dort wandte er sich an Mark und lächelte ihn an. „Wenn Sie mal zur Teatime vorbeikommen möchten, würden ich und meine Frau uns bestimmt freuen. Timothy sollte sie wirklich nicht verstecken müssen.“
Markus war ganz schön stolz auf seinen Vater. Natürlich hatten er und seine Mutter etwas gebraucht, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er schwul war. Und noch mehr, als ihnen Tim ebenfalls beichtete, dass er auf Jungs stand. Doch sie kamen damit ganz gut klar. Spontan umarmte Markus seinen Vater und folgte Mark hinaus.
„Hast du eine Ahnung, wo er sich sonst rumtreiben könnte?“
Markus zuckte die Schultern. „Nicht wirklich. Er hat praktisch keine Freunde.“ Tim war immer schon ein Einzelgänger. Er zückte sein Handy, doch Tim ging noch immer nicht ran.
„Ich fahre wohl besser nachhause.“ Mark klang nicht sehr begeistert. Markus überlegte nur einen Moment. Er hatte da ja noch was gutzumachen.
„Wir können auch zu mir gehen. Ich wohne in der Nähe“, schlug er vor und ergänzte: „Ich glaube es zwar nicht, aber eventuell ist er da. Meistens, wenn er Kummer hat, kommt er zu mir. Gut, diesmal ...“ Diesmal war er der Grund dafür. Eher unwahrscheinlich, dass Tim zu ihm kommen würde, aber einen Versuch war es wert.
„Gute Idee. Sehen wir nach.“ Die kalte Luft tat gut und der Alkohol schien sich langsam aufzulösen. Sie marschierten eine Zeit lang schweigend nebeneinander. Markus grübelte, wie viel Mark wirklich von seinem Verhältnis zu Tim ahnte. Er biss sich auf die Lippe.
„Hat dir Tim, was von sich erzählt?“
„Eigentlich nicht“, meinte Mark achselzuckend. Entschlossen schob Markus seine Hände in die Hosentaschen.
„Tim ist nur mein Halbruder.“ Okay, er würde einfach die ganze Story erzählen. „Seine Mum war die Geliebte meines Vaters, drüben in England. Er musste früher immer mal wieder für ein oder zwei Monate rüber. Meine Mutter hat davon nichts gewusst, bis Tims Mum vor fünf Jahren gestorben ist.“ Mark hörte zu, ging neben ihm weiter die Straße entlang.
„Er kam nicht gleich zu uns. Er war fast ein Jahr in einem Heim in England bis Dad überhaupt davon erfuhr. Damals war er mit Struppis Mum schon jahrelang nicht mehr zusammen. Er wusste gar nicht, dass er noch einen Sohn hatte. Dann ist er rübergeflogen und hat ihn mitgebracht. Tim war vierzehn, völlig verschüchtert, kannte keinen von uns, weder Sprache noch Land.“
Diese riesigen Augen, die hatten ihn damals gleich eingefangen. Zunächst hatte er nur gedacht, er wolle ihn beschützen, doch dann ...
„Er hat fast zwei Monate nur in seinem Zimmer verbracht, kaum geredet, sich nicht rausgetraut und total viel geheult. Er tat mir so leid und er hatte niemanden. Ich bin vier Jahre älter als er, eben der große Bruder. Er ist echt weitaus mehr als ein Bruder für mich.“ Er konnte es nicht zurückhalten. Mark musste es fairerweise erfahren. Konnte jemand wie Mark es verstehen, was er empfand?
Dieser nickte bedächtig und Markus fuhr entschlossen fort: „Ich war immer für ihn da. Niemand durfte ihm was tun.“ Seufzend strich sich Markus durchs Gesicht. „Ich glaube ich habe mich etwas in ihn verguckt, als er so alleine und verängstigt ankam. Ich hatte gerade erst entdeckt, dass ich auf Kerle stehe.“ Gut, so war es nicht ganz gewesen. Eigentlich hatte er erst durch Tim erkannt, dass er Jungs lieber mochte. Genau genommen … Okay, das würde er Mark nun wirklich besser nicht erzählen. Manche Dinge würden einfach sein Geheimnis bleiben.
„Komm bloß nicht auf komische Ideen“, brummte Markus hastig, als Mark nichts antwortete. „Mann, er ist mein Bruder.“ Markus holte noch einmal Luft.
„Ich habe keinen an ihn rangelassen, weiß du?“ Mark hörte ihm gespannt zu. „Ich wollte nicht, dass ihm jemand wehtut“, meinte Markus nachdrücklich und korrigierte sich gleich darauf: „Nein, stimmt nicht ganz. Ich wollte ihn nicht mit jemand anderen zusammen sehen.“
Heute ist der Tag der Wahrheiten, dachte Markus. So war es. Ich wollte mich nie verlieben, glaubte, wenn ich Tim nicht haben kann, dann kann ich mich auch in keinen anderen verlieben.
„Weißt du wie das ist, jemanden zu lieben und genau zu wissen, dass du ihn nie haben kannst?“ Oh Mann, was muss Mark nur von mir denken?
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