Irgendwo da draußen - Kriminalroman
sollte sie nicht? Früher bestand zwischen Corinna und mir ein großes Vertrauensverhältnis. Sie berichtete mit Begeisterung von ihren Forschungen und den Fortschritten, die sie bei ihrer Doktorarbeit machte.«
»In welchem Fach hat sie promoviert?«
»In Archäologie. Nicht gerade das, was ich unter einer profunden Ausbildung verstehe. Aber bitte! Es war ihr Wille. Corinna hat sich an Ausgrabungen im Nahen Osten beteiligt. Das war auch Gegenstand ihrer Doktorarbeit. Nun, wie gesagt, in letzter Zeit sprach sie nur noch widerwillig von ihrem Studium. Ich nahm an, es läge an dem UFO-Quatsch. Vielleicht gab es auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Corinna und ihrem Professor, und sie war frustriert.« Lahrmann beugte sich vor. »Da haben Sie noch ein Motiv für den Selbstmord. So nennt man das doch, oder, Herr Detektiv?«
Ich nickte. »Kennen Sie zufällig den Namen ihres Professors?«
»Klas Evert Ebertien. Er soll eine Koryphäe auf seinem Gebiet sein.«
Da mir keine Fragen mehr einfielen, bedankte ich mich bei Lahrmann für sein Entgegenkommen.
Er schien erleichtert und brachte mich zur Tür. Aus den Regionen oberhalb der Treppe drang ein leises Wimmern.
Lahrmann schaute kurz nach oben, dann schüttelte er meine Hand. In seinen Augen stand wieder der eisige Glanz.
»Besuchen Sie uns nie wieder, Herr Wilsberg! Die Lebenden sind mir wichtiger als die Toten.«
III
Nachdem ich in der Universitätsbibliothek das Vorlesungsverzeichnis konsultiert und zu meiner Freude festgestellt hatte, dass noch am selben Abend das Doktorandenkolloquium von Professor Klas Evert Ebertien stattfinden würde, blieb ich gleich im geisteswissenschaftlichen Getto zwischen Dom und Aa. Ich dachte, ich hätte genügend Zeit, um den Seminarraum ausfindig zu machen, ein folgenschwerer Irrtum, wie sich bald herausstellte.
Das Institut für Archäologie residierte im Fürstenberghaus, einem dreistöckigen, lang gestreckten Gebäude mit dem Charme eines Notaufnahmelagers für Erdbebenopfer. Außer den Archäologen gab es hier noch die Historiker, die Germanisten und ein paar Dutzend andere Institute und Fachbereiche, bei denen ich jeweils mindestens zweimal vorbeikam, bis ich endlich, nach vielem Treppauf und Treppab, ersten Anflügen von Panik und einem Proseminar in Labyrinthologie, das gesuchte Institut in der dritten Etage entdeckte. Erschöpft, aber glücklich drückte ich auf die Klingel unter dem Schild Bitte schellen! und erkundigte mich bei dem studentischen Türwächter nach dem Kolloquium.
Nein, erklärte der Student belustigt, das Institut sei viel zu klein, hier fänden keine Seminare statt, die Doktoranden von Professor Klas Evert Ebertien träfen sich seines Wissens im F 8, das sei ganz einfach zu finden, ich müsse nur die Treppe hinunter, zweimal links abbiegen, dann geradeaus, bis es nicht mehr weitergehe, noch einmal zwei Treppen abwärts, und schon sei ich da.
So einfach war es dann doch nicht, aber schließlich erreichte ich den F 8, einen mit hässlichen grünen Stühlen und weißen Tischen möblierten Kellerraum. Gerade noch rechtzeitig, denn in den folgenden Minuten trudelten etwa zehn ältere Semester beiderlei Geschlechts ein, die meisten mit dem nach innen gekehrten Blick von Wissenschaftlern, die über ihre Arbeit vergessen, dass das Leben nicht nur gedruckte Seiten hat. Einige unterhielten sich leise miteinander, die anderen verkrümelten sich stumm hinter ihre Pulte, auf denen sie aus abgeschabten Ledertaschen entnommene Papiere ausbreiteten.
Ich blieb vor der Tür stehen und wartete auf Ebertien. Um zehn nach acht erschien eine kleine, kugelige Gestalt, deren Alter ich auf mehr oder weniger fünfzig schätzte. Der Mann hatte wallendes, nach hinten gekämmtes Haupthaar und trug ein offensichtlich maßgeschneidertes Hemd, das den Druck eines Bauches von veritablen Kürbisausmaßen aushalten musste. Der Versuch, die dunkelblaue Anzugjacke zu schließen, wäre ohnehin zwecklos gewesen, weshalb ihr Besitzer sich zu der offensiven Variante entschlossen hatte, seine Körperausbeulung stolz vor sich herzutragen.
»Sie sind Professor Ebertien?«, stellte ich ihn auf die Probe.
Er musterte mich von oben bis unten. »Warum interessiert Sie das?«
»Ich bin mit der Untersuchung des Todes einer Ihrer Studentinnen beauftragt, Corinna Lahrmann.«
»Polizei?«, fragte er knapp.
»Nein, ich biete meine Dienste in der freien Marktwirtschaft an.«
Er grinste mich von unten an. »Nannte man so etwas früher
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