Irgendwo da draußen - Kriminalroman
wieder verschwunden. Ich habe ein paar Mal versucht, sie zu einem Kakao in den Kabu einzuladen …«
Ebertien räusperte sich, und das Milchgesicht verstummte.
»Vielleicht fällt Ihnen doch noch etwas ein«, sagte ich schnell. »In den Monaten vor ihrem Tod glaubte Corinna, dass sie von Außerirdischen entführt wurde.«
»Ich glaube, das reicht jetzt, Herr Wilsberg«, unterbrach mich der Professor. »Science-Fiction ist etwas für Literaturwissenschaftler, nicht für Archäologen.«
Mir war allerdings nicht entgangen, dass einer Studentin, die in der hinteren Reihe saß, bei der Erwähnung der Außerirdischen das Blut ins Gesicht schoss.
Als die Studentin das Schloss ihres vor dem Fürstenberghaus geparkten Fahrrads öffnete, waren gut anderthalb Stunden vergangen.
»Entschuldigen Sie bitte!«, sagte ich, mich von hinten nähernd.
Sie fuhr herum.
»Erschrecken Sie nicht! Ich bin der Detektiv.«
»Müssen Sie sich so anschleichen?«
»Tut mir leid.«
Sie schob ihr Fahrrad auf die Straße. »Und was wollen Sie von mir?«
Ich mühte mich, mit ihr Schritt zu halten. »Ich habe den Eindruck, dass Sie etwas über Corinnas Tod wissen.«
»Und wie kommen Sie darauf?«
»Bei realistischer Selbsteinschätzung darf ich nicht annehmen, dass Frauen schon rot werden, wenn sie mich nur sehen.«
Sie zischte. »Ach, ich habe mich über KEE geärgert.«
»Professor Ebertien?«, kombinierte ich nach einer Überraschungssekunde.
»Der alte Heuchler. Schwafelt da was von Lebensmüdigkeit und Lebensüberdruss. Als wäre Corinna ein zartes Mimöschen gewesen.«
»War sie das nicht?«
»Nee, die wusste genau, was sie wollte. Und sie hat sich ganz schön mit ihm gezofft.«
Ich war erstaunt. »Die beiden hatten Streit?«
»Es ging um ihre Doktorarbeit. Ich saß vor Ebertiens Büro, als Corinna drin war, das war so kurz vor den Semesterferien. Plötzlich fingen die an zu brüllen, das heißt, zuerst wurde KEE laut, dann hat Corinna zurückgekeift.«
»Haben Sie mitbekommen, woran sich der Disput entzündete?«
»Nicht genau. Ich habe zuerst nicht hingehört, war mit meinem eigenen Thema beschäftigt. Corinna hat wohl einige Thesen aufgestellt, die KEE nicht passten. Ein paar Mal hat er geschrien, dass sie irgendwas überarbeiten solle, ansonsten würde er ihre Arbeit nicht annehmen.«
»Und sie hat sich geweigert?«
»Muss ja wohl. Sie kam wutschnaubend rausgerannt. Und Ebertien stand kurz vor dem Herzinfarkt. Ich hatte schon Angst, dass ich den Notarzt rufen müsste.« Sie schwang sich aufs Fahrrad.
»Über welches Thema hat Corinna eigentlich geschrieben?«
»Über die Schriftrollen aus Qumran – am Toten Meer.« Sie wollte abfahren.
Schnell schob ich die nächste Frage hinterher: »Könnte die Auseinandersetzung Corinna derart beeindruckt haben, dass sie sich deswegen umgebracht hat?«
»Was weiß ich? Jedenfalls stand ihre wissenschaftliche Karriere auf dem Spiel. Und Ebertien ist nicht so unschuldig, wie er tut.« Sie trat in die Pedale. »Ich möchte übrigens auch noch einen Doktor vor dem Namen bekommen«, rief sie über die Schulter. »Also sagen Sie ihm bloß nicht, von wem Sie das haben!«
Auf dem Weg in meine Privatgemächer schaute ich kurz ins Büro. Keine Nachrichten von Koslowski. Anscheinend hatte die Überwachung von Wallhorst nichts Nennenswertes erbracht. Auf dem Anrufbeantworter war nur ein einziger Anruf, nämlich von Franka.
Ich ging weiter in die Küche, braute mir einen Kräutertee und schmierte ein paar Brote. Damit wollte ich den Abend vor dem Fernseher ausklingen lassen.
Kauend zappte ich durch die bunte Fernsehlandschaft. Auf den meisten Kanälen lief Werbung für Autos oder Slipeinlagen. Schließlich blieb ich bei einer politischen Sendung hängen. Es ging um die Frage, ob Helmut Kohl noch bis zum Jahr 2014 im Amt bleiben würde, weil er dann die Amtszeit von Papst Pius IX. schlagen könnte. Da klingelte das Telefon.
Ich brummte ein unfreundliches »Ja?«, weil ich Franka erwartete.
»Spreche ich mit Georg Wilsberg?« Eine unbekannte Frauenstimme.
Ich setzte mich auf und wurde schlagartig freundlicher. »Das tun Sie. Und wem habe ich das anvertraut?«
Sie kicherte. »Sagen wir: Frau Schmidt.«
»Die große Unbekannte?«
»So groß bin ich gar nicht.«
Ihre Stimme klang nett. Außerdem wurden selten Männer am Telefon belästigt. »Haben Sie einen besonderen Wunsch, Frau Schmidt, außer dem, meine Stimme zu hören?«
»Ich möchte nicht, dass Sie glauben, Corinna
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