Irgendwo da draußen - Kriminalroman
lesen?«
»Warum?«
»Ich nehme ihn nicht mit. Ich lese ihn nur.«
»Es ist ein sehr persönliches Schreiben. Müssen Sie in meinen intimsten Sachen schnüffeln?«
»Die Polizei hat ihn doch auch gelesen, oder?«
»Aber die brauchten einen Beweis, dass es tatsächlich Selbstmord war.«
Ich lächelte ihn kurz an. »Ich auch.«
»Mach schon!«, sagte Koslowski. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Hofknecht dackelte zu einem anderen Karton und kam mit einem einfachen DIN-A4-Blatt zurück. Der Text war mit Kugelschreiber in einer ruhigen, geraden Schrift geschrieben:
Lieber Peter,
es tut mir unendlich leid, dass ich dich allein lassen muss, aber ich habe nicht mehr die Kraft, mich gegen die anderen zu wehren. Sie sind ständig da und bedrohen mich. Sie lassen mir keine Luft zum Atmen. Es gibt nur eine Fluchtmöglichkeit: in eine Welt, in der sie mich nicht finden. Sei nicht traurig! Wir haben viele schöne Stunden miteinander verbracht. Jetzt kannst du mir nicht mehr helfen. Sag Katja, dass ich ihr für alles danke, was sie für mich getan hat.
Corinna
»Wie hat sie sich umgebracht?«, fragte ich.
»Mit Tabletten. Ein Cocktail, kombiniert mit Alkohol. Zusammen eine tödliche Mischung. Sie lag schon im Koma, als ich sie gefunden habe. Der Notarzt hat noch versucht, sie zu reanimieren, aber es war zu spät.«
Ich gab ihm den Brief zurück. »Dann gibt es nur noch einen Punkt, den wir klären müssen, Herr Hofknecht.«
Er stöhnte. »Was denn noch?«
»Sie haben gelogen.«
»Wieso?«
»Als Sie sagten, Sie wüssten nicht, wie es Corinna gelungen sei, die Erinnerung an die Entführungen aufzudecken. Von Corinnas Schwester Katja habe ich erfahren, dass Corinna bei einem Therapeuten war.«
Hofknecht machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie war bei mehreren. Das hat alles nichts gebracht. Die haben ihr Problem als psychisches betrachtet. Aber das war es ja nicht. Die Entführungen haben real stattgefunden.«
»Das meine ich nicht. Es gibt eine Person, die Corinna hypnotisiert hat. Und erst durch die Hypnose wurde Corinna bewusst, was die Außerirdischen mit ihr machten.«
Der Ufologe rutschte unruhig auf seinem Sessel herum. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Ich kenne keinen Hypnotiseur.«
Jemand pochte an die Wohnungstür und rief: »Pete! Kannst du mal eben rüberkommen!« Es klang nach dem Jüngling in der Lederjacke.
Ich bedeutete Hofknecht, den Mund zu halten.
»Pete, mach auf! Ich weiß, dass du da bist.«
Hofknecht stand auf, und Koslowski entfaltete drohend seine muskulösen Arme.
»Was ist los, Mike?« Dummerweise hatte Hofknecht begriffen, dass ihm eine Chance geboten wurde, uns zu entkommen.
»Du musst mir helfen. Es dauert nicht lange.«
»Ich komme, Mike.« Ein freches Grinsen huschte über sein Gesicht. »Ja, meine Herren, ich fürchte, Sie müssen jetzt gehen.«
»Na schön.« Ich stand auf und legte eine Visitenkarte auf den nächstbesten Umzugskarton. »Falls Ihnen doch noch etwas einfällt, rufen Sie uns bitte an!«
»Noch ein paar Minuten, und wir hätten ihn am Wickel gehabt«, sagte Koslowski kauend.
»So leicht können wir Hofknecht nicht mehr überraschen«, konstatierte ich mit vollem Mund. »Der wird jetzt vorsichtig sein. Ich denke, ich hänge mich ein bisschen an ihn dran und sehe zu, dass ich ihn in einem günstigen Augenblick erwische.«
»Tu das!« Koslowski schob sich ein Viertel Pizza in den Mund.
Wir hatten zwei Tiefkühlpizzen im Backofen aufgewärmt und vertilgten die mit Schinken und Salami belegten Fladen im Büro.
Die Türglocke schrillte.
Blitzschnell ließen wir die Essensreste in den Schreibtischen verschwinden, dann drückte ich auf den Türöffner. Mit geschäftsmäßigen Mienen erwarteten wir unseren Besuch.
Es war Franka.
Ich holte meine Pizza wieder hervor und aß weiter.
»Ihhh«, sagte Franka, »Aasfraß. Musst du das vor meinen Augen essen?«
Ich drohte ihr mit dem Messer. »Das ist mein Büro. Seitdem mich ein gewisses Veganes Kommando Münsterland in eine Höhle gesperrt hat, bin ich allergisch gegen Rohkost.«
Franka trug einen kurzen Rock über einer mit Löchern übersäten Strumpfhose. Ihr Haar schillerte in allen Regenbogenfarben und war sorgfältig auf Unordnung gestylt. Vor einigen Monaten hatte sie zusammen mit ihren veganen Freunden ein Affenhaus in Schapdetten überfallen, zwölf Kapuzineraffen befreit und nebenbei die beiden Wachmänner ins Reich der Träume geschickt. Die beiden Wachmänner waren
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