Irgendwo da draußen - Kriminalroman
losfuhr, hing ich etwa fünfzig Meter hinter den Heckflossen seines altersschwachen Opel.
Der Ufologe fuhr geradewegs aus Münster hinaus, an der Eissporthalle vorbei zur B54n, die ich erst am Vortag benutzt hatte, um nach Schöppingen zu gelangen. Kurz vor der Autobahnauffahrt bog er nach rechts ab, auf die alte B54, die nach Nienberge und Altenberge führte.
In Nienberge, dem verschlafenen, nordwestlichen Vorposten Münsters, lenkte er sein Gefährt erneut nach rechts, bis wir einen noch kleineren, noch beschaulicheren, noch verträumteren Stadtteil Münsters erreichten: Nienberge-Häger. Hier war die Welt praktisch zu Ende, und konsequenterweise stellte Hofknecht den Kadett vor einem Gartenzaun ab, hinter dem sich, etwa zwanzig Meter von der Straße versetzt und von einer Garde Obstbäume bewacht, ein weiß gestrichenes Haus erhob.
Da in Nienberge-Häger Verkehr nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellte, konnte ich nur durch ein Fernglas verfolgen, wie Hofknecht das weiße Haus betrat. Nach einer halben Stunde kam er wieder heraus, setzte sich in sein Auto und düste in umgekehrter Richtung davon.
Ich blieb noch. Durchs Fernglas hatte ich nämlich nicht entziffern können, was auf dem Schild stand, das neben der Gartentür angebracht war. Als Spaziergänger getarnt, schlenderte ich am Gartenzaun entlang. Und dann musste ich lächeln. Unfreiwillig hatte mich Peter Hofknecht ein gutes Stück weitergebracht.
Das Schild enthielt eine Berufsangabe: Friedhelm Angernagel. Psychotherapeut.
Als am späten Abend das Telefon klingelte, dachte ich an Koslowski und fragte: »Wie war’s?«
»Oh, Sie haben den Anruf von jemand anderem erwartet.«
»Dabei höre ich Ihre Stimme fast noch lieber, Frau …«
»Schmidt. Schleimen Sie nicht rum! Ich bin nur zweite Wahl.«
»Es ging um meinen Kollegen«, erklärte ich. »Er ist in einem wichtigen Auftrag unterwegs.«
»Wenigstens keine Frau.« Sie kicherte kokett. »Das beruhigt mich ungemein.«
Es schien ihr gut zu gehen. Ich kleidete meine Beobachtung in eine entsprechende Bemerkung.
»Ja, heute geht’s mir wirklich gut. Das schwankt von Tag zu Tag. Je nachdem, ob mich die Außerirdischen in Ruhe lassen oder nicht. Und wie sind Sie vorangekommen?«
»Ein bisschen«, untertrieb ich. »Leider darf ich Ihnen ja keine Fragen stellen.«
»Nein, das dürfen Sie nicht.«
»Aber wir könnten ein kleines Spiel spielen. Ich stelle Ihnen eine Frage, und wenn Sie drei Sekunden schweigen, war es ein Ja.«
Sie überlegte. »Na gut. Lassen wir es auf einen Versuch ankommen.«
»Erste Frage: Sind Ihnen die Erlebnisse bei den Außerirdischen erst durch Hypnosesitzungen richtig bewusst geworden?«
Ich zählte bis drei. Ein Ja.
»Nächste Frage: Sind Sie von einem Therapeuten hypnotisiert worden?«
Sie schnaufte, sagte aber nichts. Wieder ein Ja.
»Dritte Frage: Heißt der Therapeut Friedhelm Angernagel?«
»Wie sind Sie darauf gekommen?«, brach es aus ihr heraus.
Ich genoss meinen Triumph. »Detektivischer Spürsinn.«
»Dieses Schwein«, polterte sie los. »Er hat alles nur noch schlimmer gemacht. Ich hasse ihn.«
»War Corinna Lahrmann auch bei ihm in Behandlung?«
»Wahrscheinlich. Hören Sie, ich will nicht über Angernagel reden. Allein der Name verursacht bei mir schlechte Laune.«
»Okay«, lenkte ich ein. »Reden wir über etwas anderes. Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade von Außerirdischen entführt werden?«
»Interessiert Sie das wirklich?«, fragte sie skeptisch.
»Ganz ehrlich. Ich finde Ihre Stimme sehr sympathisch.«
»Jetzt schmeicheln Sie mir wieder.«
»Haben Sie es lieber rau und herzlos?«, tat ich beleidigt.
Sie zögerte. »Ich finde Ihre Stimme ja auch nett.«
»Dann steht einer persönlichen Begegnung eigentlich nichts mehr im Wege.«
»Nein, das geht nicht.«
»Völlig anonym, selbstverständlich. An einem neutralen Ort, in einem Café oder Museum.«
»Vielleicht in ein paar Tagen«, sagte sie rasch. »Und um Ihre Frage zu beantworten: Mein Leben ist ziemlich langweilig. Ich sitze den ganzen Tag am Schreibtisch, lese und schreibe. Morgens und abends laufe ich eine halbe Stunde an der Promenade. Das ist alles.«
»Mein Leben ist auch nicht aufregender. Die meiste Zeit sitze ich im Auto und warte darauf, dass jemand einen Fehler macht.«
»Ich dachte, die Arbeit eines Detektivs sei spannend und gefährlich.«
»Das ist nur in Filmen und Büchern so, in der Wirklichkeit leider nicht. Nein, ich bin ein ziemlicher Langweiler.
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