Irgendwo dazwischen (komplett)
einmal. Gott sei Dank
dauert die Pause nicht mehr lange, dann muss ich dieses Theater nicht länger
mit ansehen.
Im Unterricht geht es dann jedoch nahtlos weiter. Frau Hornung,
unsere etwas beschänkte Biologie-Lehrerin, beschäftigt uns mal wieder mit
Gruppenarbeit, was es Emma ermöglicht, bis ins kleinste Detail zu erzählen, wie
Clemens sie abgefangen hat, dass er so niedlich nervös war und man das Zittern
in seiner Stimme nicht überhören konnte. Ella will ja schon länger gewusst
haben, dass Clemens auf Emma steht. Ach, tatsächlich, du blöde Kuh.
Als Emma ihn gefragt habe, wann er sie denn treffen wolle, sei es
förmlich aus ihm heraus geplatzt, dass er sie noch am selben Tag treffen wolle.
Wie im Film... Na, mal sehen. Nichts ist so, wie es scheint...
Emma
Die Art, wie ich es ihr gesagt habe, hat kein bisschen zu dem
gepasst, wie ich mich fühle. Da war kein Fünkchen Schuldbewusstsein in meiner
Stimme. Nichts. So, als wüsste ich überhaupt nicht, dass ich sie verraten habe.
Ich weiß nicht, warum ich ihr nicht einfach gezeigt habe, wie ich mich wirklich
fühle. Ich meine, wir reden hier von Lili. Sie hätte mich wahrscheinlich sogar
verstanden. Aber was, wenn nicht? Und im Ernst, bin ich ihr etwa Rechenschaft
schuldig? Wäre sie denn jemals auf ihn zugegangen? Hätte sie ihn jemals
angesprochen? Nein. Und auch er hätte sie nicht angesprochen. Er will mich.
Nicht sie. Und außerdem wäre es nicht das erste Mal, dass Lili meint, sich
verliebt zu haben. Bei Klaus war es nicht anders. Ich glaube, der einzige Kerl,
in den Lili je wirklich verliebt war, ist mein Bruder. Und der ist einfach ne
Nummer zu groß für sie. Ja, Lili ist schön. Aber so schön nun auch wieder
nicht. Männer sollten nicht besser aussehen als ihre Freundinnen. Und Elias
könnte jede haben. Nichts desto trotz, in ihn war sie verliebt. Alles, was
danach kam, war eher lauwarm. Und ich habe mich wirklich in Clemens verliebt.
Ich bin ihr nichts schuldig. Jetzt habe ich mich fast selbst überzeugt. Aber
nur fast.
Panisch reiße ich alles aus meinem Schrank. Heiß ja, aber nicht
billig. Nichts zu Hochgeknöpftes, aber auch nichts Nuttiges. Ich habe aber bloß
das eine oder das andere. Und wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich mehr von der
leicht billigen Sorte. Kurz und freizügig. Denn das kommt bei Kerlen an. Und
ich will bei Clemens ankommen. Mehr noch, ich will bleibenden Eindruck
hinterlassen.
Eine Stunde und fünf Outfits später schaue ich an mir runter.
Fantastisch. Ich habe den Drahtseilakt geschafft. Heiß ja, aber nicht billig.
Die junge Frau, die mich aus dem großen Spiegel anlächelt, sieht einfach
fantastisch aus. Hautenge Jeans, hohe Schuhe, leicht durchsichtige Bluse. Haare
hochgesteckt, Augen betont. Zugegeben, ich rieche, als wäre ich drei Bahnen in
meinem Parfum geschwommen, aber bis Clemens hier ist, ist das verflogen.
Zumindest hoffe ich das. Meine Augen sind perfekt. Absolut perfekt. Natürlich
bin ich viel zu früh fertig, aber was soll‘s. Und während mich die Nervosität
innerlich auffrisst, schleicht sich für eine Sekunde das schlechte Gewissen
ein, dass ich das, was ich bald tun werde, nicht tun sollte. Das Schlimmste
ist, dass ich denke, dass Lili es nicht tun würde. Ach Schwachsinn. Jede Frau
würde eine Einladung von nem Kerl wie Clemens annehmen. Zumindest, wenn sie
nicht komplett gestört ist. Und ich bin die, die er gefragt hat. Aber auch
damit habe ich mich selbst immer noch nicht ganz überzeugt. Verdammt.
Ein paar Stunden später weiß ich, dass es sich nicht gelohnt hat,
Lili zu verletzen… Ich bin enttäuscht. Aber was hab ich mir auch erwartet? Dass
er mit mir über meine politischen Ansichten reden will? Dass er mich ernst
nimmt? Oder vielleicht, dass er mich eingeladen hat, weil er meine
Persönlichkeit kennenlernen möchte?
Ich wusste, dass er nicht an mir interessiert ist. Ich wusste es.
Doch ich habe es nicht glauben wollen. Ich hatte bis zuletzt gehofft, dass ich
mich täusche. Aber ich habe mich nicht getäuscht.
Er hat mich ausgeführt. Er hat mich in seinem BMW abgeholt. Er hat
mich in ein kleines Restaurant gefahren. Und dort haben wir betreten
geschwiegen. Und irgendwann hat er dann vorgeschlagen, dass wir zu ihm fahren
können, was wir dann auch getan haben. Aber der Film, den er mir versprochen
hat, war einfach unauffindbar . So als hätte ihn das DVD Regal gefressen.
Ich habe den Film im Regal stehen sehen, aber nichts gesagt. Ich sehe mich noch
dort stehen, mitten in
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