Irgendwo dazwischen (komplett)
geklingelt.“
Ihr Gesicht ist farblos und ihre Stimme blass.
„Ja und?“,
frage ich verständnislos. „Wo ist der Wein?“ Emma lacht, doch Lilis Gesicht ist
noch immer leer. Sie geht einen Schritt zur Seite und schaut hinter sich. Und
dann sehe ich jemanden die Stufen hinaufsteigen. Und als ich sein Gesicht
erkenne, verstehe ich die Leere in ihrem Gesicht.
Ich starre
ihn an. Und nicht nur ich starre ihn an. Alle starren ihn an. „Paul...“, sage
ich wie in Trance und stehe auf. Ein kleiner Teil in mir befürchtet, dass seine
Tierärztin jeden Moment neben ihm auftaucht, aber das tut sie nicht. Er ist
allein. Und er ist hier. Wir sind vollzählig. Endlich.
Elias
rutscht zur Seite, Emma holt noch ein zusätzliches Gedeck und den ersehnten
Wein und das Bier, Joakim umarmt Paul. Die CD ist zu Ende. Lili bückt sich und
drückt wieder auf Play. Sail away beginnt von vorne.
Paul dreht
sich zu mir und lächelt. „Ist das die CD?“ Ich nicke. Dann kommt er auf
mich zu und schließt mich in die Arme. Und da ist er wieder. Der Duft. Sein
Duft.
Er setzt
sich zwischen mich und Elias. Und auch, wenn alle versuchen, so zu tun, als
wäre alles wieder normal, ist es das nicht. Alles ist anders. Alles ist besser.
Denn Paul ist da.
Emma
Ich gehe
leise aus dem Zimmer und schließe die Tür. Sie schlafen. Endlich. Als ich
bewaffnet mit meinem Babyfon zurück zum Wohnzimmer gehe, fällt mein Blick auf
eine angefangene Kollage. In der Mitte hängt das Foto von uns vor dem alten
VW-Bus. Daneben hängt eines von Paul und Marie. Unter den beiden Bildern stehen
die Worte irgendwo dazwischen . Sie hat sie aus der Zeitung
ausgeschnitten. Ich gehe ins Wohnzimmer und steige leicht angetrunken die
Stufen hinauf. Irgendwo dazwischen ... Ich muss lächeln. Das spiegelt
alles wider. Als ich oben ankomme, fällt mein Blick auf meinen Bruder. Bald
wird er Vater. Elias wird Vater. Das ist ein seltsamer Gedanke. Lili sitzt auf
seinem Schoß und küsst ihn auf die Wange. Er streichelt ihr über den Rücken.
Joakim sucht einen Flaschenöffner, und Paul ist schwer damit beschäftigt, Marie nicht anzusehen. Es ist amüsant, ihm dabei zuzusehen. Marie schaut ihn
von der Seite an. Und für jeden Außenstehenden wird klar, dass die
Vergangenheit der beiden vielleicht doch noch nicht so vergangen ist.
Joakim
kommt auf mich zu und legt seine Arme um mich. Im Mondlicht tanzen wir auf
Maries Terrasse. Die Flammen der Kerzen flackern, die Luft zwischen Paul und
Marie knistert. Dieser Abend wird ein weiterer Mosaikstein. Es ist wie damals.
Nur eben heute.
Marie
„Warum bist
du gekommen?“, frage ich direkt.
„War es ein
Fehler?“
„Das kommt
drauf an...“
„Worauf?“,
fragt er.
„Darauf,
warum du gekommen bist.“
Er nimmt
einen Schluck Bier. Mein Herz rast. „Keine Ahnung...“, sagt er nach einer
Weile. „Es hat sich richtig angefühlt.“
„Und wie
fühlt es sich für deine Veterinärmedizinerin an?“
Er lächelt.
„Verena ist nicht begeistert.“
„Verena
also...“ Er nickt. „Hör zu Paul“, sage ich ernst, „Ich weiß, dass es meine
Entscheidung war und dass ich dir nichts vorwerfen kann. Ich weiß, dass ich
dich verlassen habe. Und ich kann damit leben, dass du eine Freundin hast...
zwar nur schwer, aber das kann ich akzeptieren.“ Ich nehme einen großen Schluck
Wein. „Aber das kann ich nur, wenn du nicht Teil meines Lebens bist.“ Lange
schaut er mich an. „Ich werde nicht so heuchlerisch sein und sagen, dass wir
Freunde sein können.“
„Das können
wir nicht?“
„Nein, das
können wir nicht“, sage ich nüchtern.
„Und warum
nicht?“
Ich schaue
mich um. Die Terrasse bewegt sich. Ich bin angetrunken, vielleicht sogar
betrunken. „Es würde eben nicht funktionieren.“
„Ja, das
habe ich verstanden, aber warum würde es das nicht?“
„Könntest
du das?“, frage ich viel zu laut. „Könntest du nur befreundet sein?“
„Das habe
ich nicht gesagt“, antwortet er mit einem seltsamen Gesichtsausdruck. „Ich
wüsste einfach gerne, warum es für dich nicht funktionieren würde.“
„Na, weil
du nach dem besten Sex riechst, den ich je hatte.“
Er fängt an
zu lachen. In seinem Gesichtsausdruck blitzt etwas Schelmisches auf. „Ist das
so?“, fragt er grinsend.
„Ja“, sage
ich und nehme noch einen Schluck Wein. Er sagt nichts. Langsam schaue ich nach
oben. In seinen Augen könnte ich mich verlieren. Und ich tue es. Ich verliere
mich. Unter dem Tisch streift seine Hand meine.
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