Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
Vom Netzwerk:
erwiderte er mit einem Anflug von Lächeln. »In Rugby war ich Captain des Fechtclubs.«
    Er war ein gutaussehender Mann Mitte vierzig, und alles, was er sagte und tat, war mit einem dicken Überzug von britischem Understatement versehen. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, aus welchem Buch er stammen könnte, und noch weniger, warum man ihn hatte recyceln müssen.
    »Thursday Next«, sagte ich und streckte die Hand aus.
    »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Ms Next«, sagte er. »Wing Commander Cornelius Scampton-Tappett zu Diensten.«
    Die Kunden begannen bereits wieder vorsichtig, in den Laden zu spähen, aber Murray hängte das »Geschlossen«-Schild in die Tür.
    »Und jetzt, wo Sie mich gekauft haben«, sagte Scampton-Tappett, »müssen Sie mir noch sagen, was ich für Sie tun soll.«
    »Ach – ja – natürlich.«
    Ich zog eine Visitenkarte aus der Tasche, schrieb den Arbeitstitel von Landens unvollendetem Opus magnum Bananen für Edward darauf und reichte sie Scampton-Tappett. »Tun Sie, was Sie können, ja? Und falls Sie irgendwas brauchen, können Sie mich oben in der Jurisfiktion anrufen.«
    Scampton-Tappett zog eine Augenbraue hoch, sagte, er werde sein Bestes tun, klemmte sich das Glas mit seiner Vorgeschichte unter den Arm und verschwand.
    Ich atmete erleichtert auf und sah mich um. Thursday5 sah mich so verzweifelt an, dass ich erst dachte, sie wäre verletzt.
    »Ist alles in Ordnung?«
    Sie nickte und schaute zu Boden. Ich folgte ihrem Blick. Meine Pistole lag direkt vor ihren Füßen.
    »Hat die schon die ganze Zeit da gelegen?«
    Sie nickte unglücklich. In ihren Augen schwammen Tränen.
    Ich seufzte. Sie wusste genauso wie ich, dass ihre Ausbildung zur JurisfiktionAgentin damit erledigt war. Wenn Scampton-Tappett nicht eingegriffen hätte, wäre ich jetzt wahrscheinlich tot – und sie hatte nichts getan, um es zu verhindern.
    »Sie brauchen es nicht zu sagen«, erklärte sie tapfer. »Ich bin offensichtlich nicht geschaffen für diese Arbeit und werde es auch niemals sein. Ich würde mich gern entschuldigen, aber mir fallen keine Worte ein, die ausdrücken könnten, wie ich mich schäme.«
    Sie holte tief Luft, nahm die Schleife aus ihrem Haar und hielt sie zwischen ihren Zähnen, während sie mit beiden Händen ihren Pferdeschwanz zusammenraffte und dann wieder festband. Es waren genau die gleichen Gesten, die ich auch selbst gemacht hätte, und ich spürte plötzlich vage Schuldgefühle. Sie benahm sich schließlich bloß deshalb so krankhaft friedlich, weil sie so geschrieben war, weil ich mir gewünscht hatte, dass sie anders sein sollte als die Heldin der anderen vier Thursday-Next-Bände. Das Problem war natürlich, dass der gewalttätige Charakter der ersten vier Bände ebenfalls meine Schuld war. Ich hatte die Persönlichkeitsrechte verkauft, um Acme Carpets zu finanzieren.
    »Ich geh jetzt wohl besser zurück in mein Buch«, sagte sie und wandte sich ab.
    »Habe ich gesagt, dass du gehen kannst?«
    »Nun, äh ... nein.«
    »Dann bleib gefälligst hier, bis ich dich entlasse. Ich weiß immer noch nicht, was aus dir werden soll, und bis dahin bleibst du auf deinem Posten – so Gott will!«
     
    Wir kehrten zurück ins Jurisfiktion-Büro, und Thursday5 ging in die Ecke und machte ein paar Pilates-Übungen, sehr zum Entsetzen von Mrs Dashwood, die gerade vorbeikam. Ich berichtete Bradshaw über die Begegnung mit dem Minotaurus und den Stand der Austen-Überholung. Er wies mich an, den Bericht über die Begegnung mit dem Minotaurus und dessen aktuelles Erscheinungsbild an alle Agenten zu simsen.
    Ich erledigte das und einige andere Arbeiten, dann zog ich den Bewertungsbogen für Thursdays heraus, füllte ihn aus, kreuzte »durchgefallen« am Ende des Formulars an und unterschrieb. Ich faltete es zweimal, dann steckte ich es in den dafür vorgesehenen Umschlag und legte ihn nach einigem Zögern in die oberste Schreibtischschublade.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war Zeit, nach Hause zu gehen. Ich stand auf und ging zu Thursday5 hinüber, die mit geschlossenen Augen auf einem Bein stand.
    »Morgen zur gleichen Zeit?«
    Sie schlug die Augen auf und sah mich an. Ich hatte dasselbe Gefühl, als ob ich zu Hause in den Spiegel starrte. Das ganze esoterische, gefühls- und körperbetonte New-Age-Zeug war völlig bedeutungslos. Sie war ich. Allerdings so, wie ich möglicherweise gewesen wäre, wenn ich nie bei der Polizei, der Armee, bei SpecOps oder Jurisfiktion gewesen wäre.

Weitere Kostenlose Bücher