Irgendwo ganz anders
einen Preis.«
Die Familie zuckte die Achseln und gab uns die Stange. Friday warf einen gelangweilten Blick darauf und ich gab sie weiter.
»Ja, Sir?«, sagte Scintilla und zeigte auf einen Mann in der zweiten Reihe, der eine schrecklich dünne Frau und ein Zwillingspärchen dabeihatte, die mächtig streberhaft aussahen.
»Ich?«, sagte der Mann verwirrt und erschrocken.
»Ja. Soviel ich sehen kann, haben Sie eine Frage. Tut mir leid, ich hätte das erklären sollen: Um Zeit zu sparen, habe ich sie aufgerufen, ehe Sie die Hand heben werden.«
»Oh!«, sagte der Mann. Dann zuckte er die Achseln und sagte: »Ich habe mich gefragt, wo doch heute nur eine Berufsberatung stattfindet, wer wohl die Leute waren, die Sie gerade hinausgeführt haben, und warum die uns so neugierig angeschaut haben.«
»Ach, das sind natürlich Sie selber! Um Sie nicht zu lange von Ihrer Arbeit abzuhalten, haben wir diese Veranstaltung so organisiert, dass Sie dafür überhaupt keine Zeit brauchen. Sie sind zum selben Zeitpunkt gegangen, an dem Sie gekommen sind – nur durch den anderen Eingang, damit Sie sich nicht selbst begegnen.«
Sobald er das gesagt hatte, ging ein erstauntes Zwitschern durch die kleine Versammlung. Ich kannte die ChronoGarde von früher, deshalb beeindruckten diese kleinen Zaubertricks mich nicht weiter, aber die meisten Anwesenden hielten die Zeit wohl noch für unveränderlich linear und waren deshalb ziemlich aufgeregt und verblüfft. Scintilla hatte diese Schau schon oft abgezogen und wusste genau, wie man sein Publikum fesselt.
»Die Zeit ist etwas sehr Merkwürdiges«, sagte er. »Sie ist vielleicht das Merkwürdigste, was Sie sich vorstellen können. Was Sie für den normalen Ablauf der Zeit halten – Wirkungen, die brav ihren Ursachen folgen et cetera pp. –, ist de facto eine nützliche Illusion, die uns die so genannten Gesetze der Physik so sachte aufs Auge gedrückt haben, dass wir glauben, irgendeine Ungemein Freundliche Macht habe sie für uns erfunden. Wenn es keine Zeit gäbe, denken wir, würde alles gleichzeitig passieren, die Existenz würde schauderhaft hektisch und wäre auch sehr schnell vorbei. Aber ehe wir uns mit all diesen Einzelheiten befassen, sollen doch bitte mal alle die Hand heben, die tatsächlich eine Karriere in der Zeitindustrie machen wollen.«
Etliche Hände wurden gehoben, aber Fridays gehörte nicht dazu. Ich merkte, dass Scintilla in unsere Richtung starrte und ziemlich enttäuscht schien, dass Friday so desinteressiert war.
»Ja, mein Fräulein, Sie haben eine Frage?« Er zeigte auf ein junges Mädchen mit teuer aussehenden Eltern, das in einer der hinteren Reihen saß.
»Woher wissen Sie, dass ich eine Frage stellen wollte?«
»Das war Ihre Frage, nicht wahr?«
»Äh ... ja.«
»Weil Sie die Frage bereits gestellt haben.«
»Hab ich doch gar nicht.«
»Oh, doch. Alles, was Sie die Gegenwart nennen, ist in Wirklichkeit weit entfernte Vergangenheit. Die eigentliche Gegenwart ist in Wirklichkeit das, was Sie die ferne Zukunft nennen. Alles das hier ist in Wirklichkeit vor langer Zeit passiert und in der EreignisLinie der Standardgeschichte verzeichnet. Deshalb wissen wir, was geschehen wird, und merken sofort, wenn Dinge geschehen, die nicht hätten passieren dürfen. Sie und ich und alles in diesem Raum hier sind eigentlich alte Geschichte – und wenn Sie das ein bisschen deprimierend finden, dann möchte ich Ihnen versichern, dass es sich dabei um die gute alte Zeit handelt. Ja, Ma’am?«
Eine Frau unmittelbar neben uns hatte zwar ebenfalls die Hand nicht gehoben, bestritt aber gar nicht erst, eine Frage zu haben.
»Wie ist es denn möglich, durch die Zeit zu reisen?«
»Die Kraft, welche Zeit vorantreibt, ist die Vergangenheit, die versucht, die Zukunft einzuholen und ein Gleichgewicht herzustellen. Stellen Sie sich das wie eine Welle vor: Dort, wo die Vergangenheit sich über der Zukunft zu brechen scheint, das ist die Gegenwart. In diesem Augenblick temporaler Instabilität entsteht ein Hohlraum – eine tube , wie die Surfer sagen. An dieser Stelle steht die Strömung senkrecht zum Zeitpfeil, führt aber zu allem, was geschehen ist oder jemals geschehen wird. Das ist natürlich stark vereinfacht, aber mit Geschick, Übung, einer richtig schicken Uniform und ein bisschen Talent lernt man ganz schnell, die Welle in dieser Röhre zu reiten, die durch die Raumzeit dahinrast. Ja, Sir?«
Die nächste Frage kam von einem jungen Mann in der ersten Reihe.
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