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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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»Wie kann man denn eine Zeitwelle reiten, die Sqillionen Jahre in der Zukunft dahinrollt?«
    »Das tut sie ja gar nicht. Sie ist überall gleichzeitig. Die Zeit ist wie ein Fluss, bei dem Quelle, Strom und Mündung alles eins sind.«
    Friday drehte sich zu mir um und flüsterte ziemlich aufdringlich: »Dauert das hier noch lange?«
    »Halt den Mund und pass auf!«
    Er schaute zur Decke, seufzte hörbar und sackte wieder in seinem Plastiksessel zusammen.
    Bendix machte unbeirrt weiter. »Die Zeitindustrie ist ein moderner Arbeitgeber mit gleichen Chancen für alle, Überstundenbezahlung, einem erstklassigen Prämiensystem und hervorragenden Sozialleistungen. Wir arbeiten vierzig Stunden die Woche, aber jede Arbeitsstunde ist nur zweiundfünfzig Minuten lang. Zeitbezogener Urlaub ist eine der besonderen Vergünstigungen des Dienstes und kann das erste Mal nach zehn Jahren genommen werden. Um die Sache richtig attraktiv zu machen, schenken wir jedem neuen Rekruten einen Walkman und Gutscheine, um zehn CDs seiner Wahl –«
    Er unterbrach sich, denn an dieser Stelle hatte Friday seine Hand gehoben. Die anderen Mitglieder der ChronoGarde starrten ihn verblüfft an. Ich wusste erst gar nicht, warum, aber dann fiel es mir auch auf: Bendix hatte nicht gewusst, dass Friday eine Frage stellen würde.
    »Sie ... haben eine Frage?«
    »Ja, habe ich. Die Frage ist: Können Sie mir sagen, welche Frage ich stellen werde?«
    Bendix lachte unbehaglich und schaute sich nervös im Publikum um. Schließlich wagte er eine Vermutung: »Sie wollen wissen ... wo die Toilette ist?«
    »Nein. Ich wollte wissen, ob alles, was wir tun, vorherbestimmt ist.«
    Bendix stieß ein weiteres schrilles Lachen aus. Friday war ein Naturtalent, und das wussten sie alle. Das Problem war: Ich hatte den Verdacht, dass Friday es auch wusste – und dass es ihm völlig egal war.
    »Eine sehr berechtigte Frage«, sagte Bendix. »Aber wie Sie gerade demonstriert haben, trifft es nicht zu. Ihre Frage war ein so genanntes freies Radikal, eine Anomalie, die unabhängig von der StandardEreignisLinie oder SEL besteht. Im Allgemeinen muss alles der SEL gehorchen, aber die Zeit hat eine ärgerliche Neigung zu willkürlicher Flexibilität. Genau wie bei Flüssen befinden sich Quelle und Mündung der Zeit stets an derselben Stelle, jedenfalls in der Regel. Auch bestimmte Ereignisse verändern ihren Ort genauso wenig wie Schluchten und Stromschnellen. Aber auf den flachen Ebenen kann der Zeitstrom ganz schön mäandern, und wenn er sich in eine gefährliche Richtung bewegt, müssen wir etwas unternehmen, um ihn wieder auf Kurs zu bringen. In der Regel muss dazu ein Ereignis in der Vergangenheit etwas verändert werden. Im Grunde ist es ähnlich wie beim Navigieren auf offener See, nur dass das Schiff stillsteht und man den Sturm von ihm weglenken muss.«
    Er lächelte wieder.
    »Aber ich greife voraus. Apokalypsenvermeidung ist nur eines unserer Arbeitsgebiete. Manchmal müssen wir auch spontane Risse in der Zeit und schlechte Zeiten flicken, im siebten Jahrtausend gibt es viel Zeitdiebstahl, und die totale Auslöschung des finsteren Mittelalters durch einen Zeifun bedarf ständiger Reparaturarbeiten, also –«
    Er hörte abrupt auf zu sprechen, weil sich Friday unerklärlicherweise schon wieder gemeldet hatte.
    »Warum erzählen Sie uns eigentlich nichts über die Schattenseite dieses Berufs?«, fragte er. »Über Zeitverklumpungen und Lecks in den Zeit- und Schwerkraftanzügen, die manche Kadetten auf die Größe von Molekülen zusammenschrumpfen lassen?«
    »Genau dazu sind wir ja hier zusammen«, sagte Scintilla in einem Versuch, die Sache herunterzuspielen. »Um die vielen kleinen Missverständnisse und Geschichten aufzuklären, die Sie vielleicht über die ChronoGarde gehört haben. Ich will Ihnen nicht einzureden versuchen, dass es in unserem Beruf keine Unfälle gibt, aber gerade in unserer Branche werden Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter sehr ernst genommen.«
    »Friday«, sagte ich und legte meinem Sohn die Hand auf den Arm. »Lass ihn doch erst einmal ausreden.«
    Friday drehte sich zu mir um und schob sich die langen Haare aus dem Gesicht, so dass ich seine wachen, klugen Augen sehen konnte. Er sah aus, als hätte er schreckliche Angst.
    »Mum«, sagte er, »du hast mir doch erzählt von den Unfällen. Von Daddys Nichtung und Filbert Snood. Warum willst du, dass ich in einem Beruf arbeite, wo man stirbt, vorzeitig altert oder gar nicht erst

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