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Irgendwo ganz anders

Irgendwo ganz anders

Titel: Irgendwo ganz anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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Abteilung, die LiteraturAgenten, gehörte nicht dazu.
    Der Name Acme Carpets war irreführend. Wir verkauften nicht nur Teppiche und Teppichböden, sondern auch Fliesen, Linoleum und Parkett. Wir waren preiswert, schnell und zuverlässig und hatten Swindon seit der Auflösung von SpecOps im Jahre 1992 erfolgreich mit Bodenbelägen versorgt. 1996 zogen wir in größere Geschäftsräume ins Gewerbegebiet an der Oxford Road um. Wenn man im Gebiet Swindon seinen Boden bedecken wollte, konnte man sich getrost an uns wenden.
    Ich stieß die Tür auf und stellte erstaunt fest, dass niemand anwesend war. Viele Kunden hatte ich zwar nicht erwartet, denn die Zahl der Teppichkäufer war montagvormittags generell nicht so groß, aber auch vom Personal war niemand zu sehen; nicht nur der Verkaufsraum, sondern auch die Büros waren leer. Nicht einmal in der Teeküche und der angeschlossenen Sitzecke war jemand zu sehen. Ich marschierte quer durch den riesigen Laden, wo schwere Teppichrollen von den Wänden hingen und Stapel von erstklassiger Ware im hellen Licht strahlten, stieß die schwere Pendeltür zur Lagerhalle auf – und erstarrte.
    Direkt neben einem Stapel Musterbücher vom letzten Jahr stand ein flugunfähiger, fast mannsgroßer Vogel mit einem unglaublich langen Schnabel voller hässlicher Zacken und starrte mich misstrauisch an. Ich sah mich vorsichtig um. Die Lagerarbeiten standen pflichtgemäß still, aber unmittelbar hinter dem Diatryma stand eine stämmige Gestalt in einer Acme-Uniform. Es war ein Mann mit breitem Schädel und wulstigen Brauen, dessen braune Augen tief in den Höhlen lagen. Nach den Gesetzen der Evolution wäre er genauso ausgestorben gewesen wie der hässliche Vogel aus dem Paläozän, aber er war hellwach und äußerst lebendig. Sein Name war Stig, und ich war froh ihn zu sehen. Er war ein geklonter Neandertaler, den ich aus meiner Zeit bei SpecOps kannte. Er hatte mir mehrfach den Arsch gerettet, und ich hatte mit ihm und seinen rückgezüchteten Artgenossen für das Recht auf Selbstbestimmung der Arten gekämpft.
    »Rühren Sie sich nicht von der Stelle«, sagte Stig mit dumpf grollender Stimme. »Wir wollen ihm ja nicht wehtun.«
    Er wollte nie jemand wehtun. Stig betrachtete jedes auch noch so rebellische Exemplar einer Tierart, die ausgestorben und rückgezüchtet worden war, als Mitglied seiner Familie und versuchte sie immer lebend zu fangen. Chimären allerdings, jene scheußlichen Kreuzungen, bei denen irgendwelche skrupellosen Hobby-Kloner ihre perverse Fantasie hatten spielen lassen, beseitigte er so schnell und schmerzlos wie möglich.
    Das Diatryma hackte nach mir. Hastig sprang ich zur Seite, während der messerscharfe Schnabel mit dem Klappern übergroßer Kastagnetten direkt vor mir zuschnappte. Stig machte einen raschen Schritt vorwärts und warf dem Geschöpf einen alten Postsack über den Kopf und die tückischen schwarzen Augen. Das Diatryma blieb regungslos stehen, und Stig gelang es, das Tier zu Boden zu ringen. Ich und sämtliche Lagerarbeiter stürzten sich daraufhin ebenfalls in den Kampf, und nach kurzer Zeit hatten wir den gefährlichen Schnabel mit Klebeband fest umwickelt.
    »Danke«, sagte Stig und legte dem jetzt vollkommen harmlosen Vogel ein Halsband und eine Leine an.
    »Wo habt ihr ihn gefangen?«, fragte ich, während wir an den Rollen von Wilton Shag und gepolstertem Linoleum in vielen herrlichen Farben entlanggingen. »In Salisbury?«
    »Nein«, sagte der Neandertaler. »In Devizes. Wir mussten acht Meilen über offenes Farmland rennen, um ihn zu fangen.«
    »Hat Sie jemand gesehen?«, fragte ich. Seit wir nicht mehr offiziell arbeiteten, waren wir ständig in Sorge, dass unsere Operationen bekannt werden könnten.
    »Ach, das würde doch eh keiner glauben«, sagte Stig lässig. »Aber da draußen sind noch mehr von den Vögeln. Wir müssen heute Nacht wieder raus.«
    Nur gut, dass der Polizeichef von Swindon mein alter Boss Braxton Hicks war. Er ahnte zwar, dass wir hinter der Fassade von Acme weiterhin die Aufgaben von SpecOps wahrzunehmen versuchten, hatte mir aber versprochen, beide Augen zuzudrücken – »jedenfalls solange niemand aufgefressen wird oder so«. Er wusste natürlich, dass sonst er und seine regulären Beamten mit den gefährlichen Begleiterscheinungen des modernen Lebens aufräumen mussten, und das würde Geld kosten. Für alles, was in den Dienstvorschriften nicht vorgesehen war, verlangten die öffentlichen Bediensteten

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