Irische Küsse
habe er sie geschlagen.
„Pardon“, entschuldigte er sich verlegen.
Ihre Miene veränderte sich, und sie sagte mit gedämpfter Stimme. „Du blutest.“
Er warf einen flüchtigen Blick auf den blutgetränkten Ärmel seiner Tunika. „Nicht der Rede wert.“
„Die Wunde ist tief und muss versorgt werden.“
Sie tat beinahe so, als sei ihm der Arm abgehackt worden. Das ständige Bluten war zwar lästig, aber gewiss nicht beunruhigend.
Ohne auf ihr Drängen zu achten, bot er auch ihr eine Erdbeere an. „Möchtest du?“
Sie schüttelte bedächtig den Kopf, in ihren Augen las er Besorgnis. Er hätte gern eine scherzhafte Bemerkung gemacht, um ihr ein Lächeln zu entlocken, wusste aber, dass dies vergebliche Liebesmüh wäre.
Er sah sie noch einen Moment länger mit der Frucht zwischen den Fingern an, bevor er sich abwandte und Katherine damit fütterte. Honora straffte die Schultern.
War sie etwa eifersüchtig? Abwegiger Gedanke. Hatte sie doch vor Kurzem noch erklärt, sie würde ihn keinesfalls heiraten, auch wenn er der letzte Mann in ganz England wäre.
Er beobachtete, wie sie sich mit Sir Ademar unterhielt. Eine Strähne dunklen Haares hatte sich unter ihrem Schleier gelöst und hing ihr vorwitzig ins Gesicht. Ihre Wange wirkte erstaunlich zart und glatt. Ewan griff nach seinem Bierkrug. Dabei wehte ihn ein Hauch ihres Duftes an. Ein frischer Geruch nach Äpfeln. Als er sie geküsst hatte, hatten ihre Lippen gleichfalls nach dieser Frucht geschmeckt.
Er nahm einen tiefen Schluck und verbannte seine ungehörigen Gedanken. Ein typisch männlicher Instinkt, den jede andere Frau gleichfalls in ihm ausgelöst hätte. Früher einmal waren sie Freunde gewesen, wenn er allerdings nicht vorsichtig war, würde er sich Honora zur Feindin machen. Er wollte aber kein Zerwürfnis mit ihr, schon gar nicht, wenn er mit Katherine verheiratet war.
Im Verlauf des Festmahls wurden die Gäste lauter und fröhlicher, das Bier floss in Strömen. Irgendwann entschuldigte Katherine sich, um sich zu den anderen Damen zu gesellen, und Ewan begab sich nach unten, um den Männern beim Würfelspiel zuzuschauen. Erschöpft von den Wettkämpfen lehnte er sich gegen die Mauer, inzwischen waren auch die Tische beiseite geschoben worden. Sein Bruder Bevan unterhielt sich noch immer mit Earl of Longford. Seinem leeren Blick nach zu schließen, war er ebenfalls müde und hätte sich mit Vorliebe aufs Ohr gelegt.
Ewan tastete nach dem blutgetränkten Ärmel seiner Tunika. Verdammt, Honora hatte recht. Der Arm erlahmte vom ständigen Blutfluss, und er fühlte sich geschwächt.
„Wen habt Ihr bestochen, für Euch zu kämpfen?“ Eine schnarrende Männerstimme hinter ihm sprach diese Worte aus. „Eine der Mägde vielleicht?“
Er erkannte Beaulais’ Stimme und ahnte den kommenden Schlag. Mit einem Schritt seitwärts wich er aus, worauf die Faust des Normannen gegen die Wand prallte. Beaulais rieb sich mit der unversehrt gebliebenen Hand die aufgeschürften Knöchel, sein Gesicht verdunkelte sich vor Zorn.
„Wie ich sehe, hat sich Euer Kampfgeschick dennoch nicht verbessert“, stellte Ewan seelenruhig fest. Der nächste Faustschlag richtete sich gegen sein Gesicht, er blockte ihn jedoch ab und setzte Beaulais die Faust gegen das Kinn.
Der Normanne konterte mit einem wuchtigen Schlag gegen seinen verletzten Arm, Ewan zog die Luft hörbar ein vor Schmerz und versetzte ihm einen Aufwärtshaken in die Magengrube, dem der Normanne einen weiteren Kinnhaken folgen ließ.
Ewan schmeckte Blut, warf sich zu Boden und zog seinem Gegner die Füße weg. Im nächsten Moment schnellte er mit einer Rolle rückwärts wieder auf die Füße, packte Beaulais am Wams und hob ihn hoch in die Luft. Mit dieser Aktion bewies er seine Kraft und demütigte seinen Herausforderer. Ein bewunderndes Raunen flog durch die Reihen der Zuschauer, das Ewan Genugtuung verschaffte. Mit letzter Kraftanstrengung stieß er seinen Gegner zu Boden, beugte sich über ihn und warnte ihn mit leiser Stimme: „Komm mir nie wieder zu nahe, Normanne, sonst kannst du beim nächsten Mal nicht alleine aufstehen.“
Dann richtete er sich auf und ließ den Blick über die gaffende Menge schweifen. Lord Ardennes schien dem Zweikampf keine große Beachtung zu schenken, während Katherine ihn voller Entsetzen anstarrte, die Hände an ihre geröteten Wangen gelegt. Honora würdigte Beaulais keines Blickes, aber Ewan glaubte in ihren grünen Augen ein stolzes Funkeln wahrzunehmen, das
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