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Irische Küsse

Irische Küsse

Titel: Irische Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MICHELLE WILLINGHAM
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Kräften zu kommen.“
    „Dazu fehlt uns die Zeit. Sie schafft es, wenn nur du im Sattel sitzt.“ Er nahm die Zügel auf, brachte das Tier in leichten Trab und lief neben ihm her.
    Honora wollte Einwände erheben, aber Ewans störrisch-verschlossene Miene duldete keinen Widerspruch. Bald würde er ermüden, und dann würde sie seinen Platz einnehmen und neben dem Pferd herrennen. Seltsamerweise schien sich der Abstand zu den feindlichen Soldaten nicht zu verkürzen.
    Je länger er mit dem Tier Schritt hielt, desto ungeduldiger wurde sie. Schließlich ertrug sie es nicht länger. Der Schweiß lief ihm in Strömen über sein hochrotes Gesicht, seine Tunika klebte nass an ihm, und dennoch zeigte er keine Ermüdungserscheinungen. Seine Ausdauer war bewundernswert. Aber wenn er nicht bald eine Pause einlegte, würde er zusammenbrechen.
    Sie brachte die Stute abrupt zum Stehen, und Ewan geriet ins Stolpern. „Du bist an der Reihe, im Sattel zu sitzen. Ich laufe.“
    „Nein. Wir müssen weiter.“
    „Du fällst demnächst tot um, wenn du nicht auf mich hörst. Setze dich auf das verdammte Pferd und ruhe dich aus.“ Es war kaum zu fassen, wie uneinsichtig dieser Mann war. Sie glitt von der Stute herunter und nahm ihm die Zügel ab.
    Aber statt aufzusitzen, rannte er neben ihr her. „Ewan, sei doch vernünftig.“
    „Ich bin kein Schwächling, Honora. Ich schaffe es.“
    Dachte er etwa, sie würde ihn für einen Versager halten, wenn er sich kurz erholte, um seine Kräfte zu sammeln?
    „Ich habe dir nie eine Schwäche vorgeworfen. Aber du bist mir keine Hilfe, wenn sie uns einholen und du nicht mehr kämpfen kannst.“ Sie brachte das Pferd erneut zum Stehen, legte ihre flachen Hände an sein erhitztes Gesicht und bemühte sich weiter, ihn zur Vernunft zu bringen. „Ich habe nicht die Beharrlichkeit, so lange zu laufen wie du. Aber alleine kann ich nicht gegen die Soldaten kämpfen, wenn es zu einer Konfrontation kommt.“
    Statt einer Antwort hob er sie wieder aufs Pferd und lief verbissen neben ihr her. Honora musste seufzend einsehen, dass es sinnlos war, ihn zur Einsicht bringen zu wollen.
    Ihre Schenkel waren von den Sattelgurten wund gerieben, als sie endlich die Küste erreichten. Sie schickte ein Dankgebet zum Himmel, dass sie dem Meer näher waren, als sie es eingeschätzt hatte. Aber Ewan sah aus, als sei er gefoltert worden. Das Haar hing ihm schweißtriefend in die Stirn, er schleppte sich schwerfällig mit eingefallenen Schultern und rasselndem Keuchen vorwärts.
    „Wir lassen das Pferd zurück“, sagte sie im Befehlston. „Es würde die Soldaten nur auf unsere Fährte locken. Die Männer werden das Tier versorgen.“ Mit einem bedenklichen Blick über die grauen Wogen der aufgewühlten See fügte sie mutlos hinzu: „Und ich flehe zu Gott, dass du mit den Felsenhöhlen recht hast.“
    „Ganz sicher. Auf unserer Überfahrt nach Ardennes habe ich sie entdeckt.“
    Sie nahm der Stute die Reisebündel ab und schickte sie mit einem Klaps auf die Flanke den Weg zurück, den sie gekommen waren. Zum Glück neigte der Tag sich dem Ende zu, und die Soldaten würden bald ihr Nachtlager aufschlagen.
    „Wie wollen wir denn auf deine grüne Insel gelangen?“, fragte sie unvermittelt, als sie die schroffe Steilküste zum Wasser hinunterkletterten.
    Er zuckte unschlüssig mit den Achseln. „Bevan sicherte mir zu, einen meiner Brüder mit einem Schiff zu schicken. Falls er nicht auftaucht, bitte ich einen Fischer um Hilfe.“
    Sobald sie den sandigen Küstenstreifen erreicht hatten, führte Ewan sie ins seichte Wasser und nahm ihr die Reisebündel ab. Sie war froh, von der Last befreit zu sein. Das Gewicht ihrer Rüstung war einfach zu schwer für sie.
    „Warum gehen wir im Wasser?“, fragte sie.
    „Um keine Spuren zu hinterlassen. Es ist unsere einzige Chance.“
    Das kalte Wasser ließ ihre Füße bald taub werden. Sie biss sich auf die Lippen, um den Schmerz nicht zu spüren. Wie lange sie durchs Wasser wateten, hätte sie nicht zu sagen gewusst. Inzwischen hatte der Himmel sich rötlich verfärbt, die Sonne versank im Westen wie ein glühender Feuerball.
    Irgendwann blieb Ewan stehen. „Schau, dort vorn.“
    Sie hob mühsam den Kopf. In einiger Entfernung entdeckte sie den dunklen Eingang einer Felsenhöhle. Sie war zu erschöpft, um darüber nachzudenken, ob sie sich als Schutz eignete. Vielleicht war sie groß genug, um darin ein Feuer zu machen. Ihre Füße fühlten sich an wie Eisklumpen, sie fror

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